Die Europäische Union unterzog die Roaming-Verordnung einer Überarbeitung. Damit konnte das Prinzip „Roam Like at Home“ verbessert und weiter ausgebaut werden. Wir fassen die wichtigsten Änderungen zusammen.
Die Menschen in Europa sollen ihre Mobilfunkdienste in der EU, Island, Liechtenstein und Norwegen (EWR) genauso nutzen können, wie sie es zu Hause tun. Mit der Roaming-Verordnung (Verordnung(EU) 2012/531) entstand daher das Prinzip „Roam Like at Home“ (RLAH), das seit Juni 2017 gilt. Damit schaffte die EU die Roaming-Entgelte für Kund:innen im EWR grundsätzlich ab und stellte langfristige Wirtschaftlichkeit für Anbieter durch Obergrenzen für Vorleistungspreise sicher.
Die Einführung von RLAH ist eine Erfolgsgeschichte: Roaming-Volumina werden seither intensiver genutzt und durch die Senkung der Obergrenzen für Vorleistungspreise blieb die Bereitstellung von Roaming-Diensten für Anbieter wirtschaftlich.
Nunmehr soll RLAH nicht nur für Preise gelten, sondern auch für die Dienstequalität. Roamingkund:innen sollen damit im Regelfall die gleiche Qualität wie zu Hause erhalten.
Zudem gibt es mit der überarbeiteten Verordnung Neuerungen beim Zugang zu Notrufnummern für Menschen mit Behinderung. Neues gibt es auch beim Umgang mit Rufnummern für Mehrwertdienste und bei Roaming über nicht-terrestrische Netzwerke.
Mit der neuen Roaming Verordnung ist sichergestellt, dass Roamingkund:innen schon bei Vertragsabschluss noch mehr Transparenz über die Dienstequalität im besuchten Land erhalten. Diese Informationen werden auch veröffentlicht.
Außerdem werden Roaminganbieter verpflichtet, ihren Vertragskund:innen im Roamingfall die gleiche Dienstequalität wie national vereinbart zur Verfügung zu stellen. Ein Beispiel: Österreichische Vertragskund:innen, die in Deutschland das Roaming nutzen, dürfen im Vergleich zu ihrer Nutzung in Österreich nicht schlechter gestellt werden. Dies gilt naturgemäß nur dann, wenn der deutsche Anbieter über diese Dienstequalität auch verfügt.
Übrigens: Der "RTR-Netztest" kann auch im Ausland bei Roaming genutzt werden, da bei Roaming die Daten über das österreichische Heimatnetz gesendet werden.
Über Telefondienste wie Sprachtelefonie oder SMS kann man nicht nur mit anderen kommunizieren, sondern auch Mehrwertdienste in Anspruch nehmen. Mehrwertdienste sind Dienstleistungen, die über die reine Verbindung zwischen zwei Anschlüssen hinausgehen und mit der Telefon-/Internetrechnung verrechnet werden. Bezahlt wird nicht nur für die Verbindung selbst, wie das bei einem normalen Telefongespräch der Fall ist, sondern auch für eine darüber hinausgehende Leistung wie z.B. ein Horoskop, Erotikdienste oder Gewinnspiele.
Rufnummernbereiche für Mehrwertdiensterufnummern werden in den nationalen Nummerierungsplänen festgelegt. Außerdem können bestimmte Entgeltkonditionen national festgelegt werden. Daher gibt es teilweise erhebliche Unterschiede in der Art, wie Entgelte festgelegt und berechnet werden. Diese Rufnummernbereiche sind europaweit auch nicht einheitlich.
Bei Roaming im EWR sind Informationen zu Mehrwertdiensten nicht einfach zugänglich und für Roamingkund:innen können hohe Gebühren ohne unmittelbar nachvollziehbaren Grund anfallen. Daher enthält die Roaming-Verordnung Bestimmungen, durch die ab 1. Juni 2023 mehr Transparenz sichergestellt und dadurch Kostenschocks vorgebeugt werden sollen. Anbieter werden nämlich verpflichtet, in der Willkommens-SMS auch vor dem Entgeltrisiko bei der Nutzung von Mehrwertdiensten zu warnen.
Die europäische Notrufnummer 112 gewährleistet, dass Roamingskund:innen in jedem europäischen Land über eine einheitliche Rufnummer kostenlos einen Notruf tätigen können. Um Roamingkund:innen im Roamingfall diese lebenswichtige Information zugänglich zu machen, müssen Anbieter in der Willkommens-SMS auf die europäische Notrufnummer 112 hinweisen. Die Nummer feierte 2021 übrigens ihr 30-jähriges Bestehen.
Der Zugang zu Notrufdiensten für Menschen mit Behinderung wird in jedem europäischen Land eigens geregelt. Bei Reisen innerhalb des EWR kann es daher vorkommen, dass die Angebote bzw. der Zugang zu den Angeboten von jenem im eigenen Land abweichen. Damit Menschen mit Behinderung auch beim Reisen alternative Notrufangebote nutzen können, müssen Anbieter ab 1. Juni 2023 in der Willkommens-SMS auf diese alternativen Angebote hinweisen. Zu diesem Zweck können sie eine Datenbank nutzen, die bis Ende 2022 von BEREC bereitgestellt wird. Notrufnummern können immer entgeltfrei genutzt werden.
Eine weitere wichtige Maßnahme für Roamingkund:innen im EWR ist insbesondere die Möglichkeit, ohne Zusatzentgelt Roaming-Dienste in Anspruch zu nehmen. Diese Maßnahmen betreffen jedoch nur das Roaming in terrestrischen Mobilfunknetzen, wenn sich Roamingkund:innen in einem anderen EWR-Land befinden. Sendeanlagen und Antennen am Boden sind ein Bespiel für ein terrestrisches Netzwerk, also jenes, das man im Normalfall nutzt.
Bei Flügen zwischen europäischen Städten oder bei der Fahrt mit dem Boot kann es vorkommen, dass sich SIM-Karten automatisch in ein nicht-terrestrisches Netzwerk einbuchen. Das geschieht oft ohne eine konkrete Information an die Roamingkund:innen oder ihr Einverständnis. Dieser Umstand kann dazu führen, dass jene, die Roaming nutzen, hohe Rechnungen erhalten.
Die BEREC-Stellungnahme zur Ausarbeitung des Vorschlags der Europäischen Kommission für die neue Roaming-Verordnung empfahl deshalb, auch in diesem Bereich Transparenzmaßnahmen einzuführen, um Roamingkund:innen vor hohen Kosten zu schützen.
Dieser Vorschlag wurde in der neuen Roaming-Verordnung aufgenommen, weshalb Roamingkund:innen in Zukunft auch bei der Einwahl in nicht-terrestrische Netze eine Willkommens-SMS erhalten und unter anderem auch ein Kostenlimit festlegen können. Außerdem werden Anbieter aufgefordert, weitere Transparenzmaßnahmen zur Verfügung zu stellen, etwa eine Opt-out-Funktion, um die automatische Einwahl in nicht-terrestrische Netze zu verhindern.
Um die Wirtschaftlichkeit von RLAH für alle Anbieter sicherzustellen, enthält die Roaming-Verordnung Preisobergrenzen auf Vorleistungsebene für Roaming-Dienste. Die Vorleistungspreisobergrenzen sind sowohl für sogenannte "Mobile Network Operators" "MNOs" anwendbar, das sind Betreiber mit eigenem Netz, als auch für sogenannte "Mobile Virtual Network Operators" (MVNOs), die selbst über kein eigenes Mobilfunknetz verfügen.
Mit der revidierten Roaming-Verordnung werden die Preisobergrenzen auf Vorleistungsebene für Sprachminuten, SMS und Daten weiter gesenkt. Festgelegt ist folgender Gleitpfad:
Ab 1.7.2022* | Ab 1.1.2023 | Ab 1.1.2024 | Ab 1.1.2025 | Ab 1.1.2026 | Ab 1.1.2027 | |
Sprache | 0,022 EUR/min | 0,022 EUR/min | 0,022 EUR/min | 0,019 EUR/min | 0,019 EUR/min | 0,019 EUR/min |
SMS | 0,004 EUR/SMS | 0,004 EUR/SMS | 0,004 EUR/SMS | 0,003 EUR/SMS | 0,003 EUR/SMS | 0,003 EUR/SMS |
Daten | 2 EUR/GB | 1,80 EUR/GB | 1,55 EUR/GB | 1,30 EUR/GB | 1,10 EUR/GB | 1 EUR/GB |
*Bis 30. Juni 2022 gelten die Vorleistungspreisobergrenzen nach der Roaming-Verordnung 531/2012, d.h.: 0,032 EUR/Minute, 0,01 EUR/SMS und 2,5 EUR/GB.