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Netzausbau und Infrastruktur­nutzung

Der neue 7. Abschnitt des TKG 2021 führt die bisher im 2. Abschnitt des TKG 2003 geregelten Infrastrukturrechte in adaptierter Form weiter, führt teilweise aber auch wesentliche neue Regelungsinhalte (siehe unten) ein.

1 Allgemeines und Struktur

Der Abschnitt wurde neu strukturiert, was nach den Erläuterungen die praktische Anwendbarkeit erleichtern soll. So sind die bisher in nur wenigen, zuletzt sehr dichten, Paragrafen geregelten Leitungs- und Mitbenutzungsrechte im TKG 2021 auf mehrere Bestimmungen aufgeteilt worden, sodass für ihre unterschiedlichen Anwendungsbereiche jetzt auch jeweils getrennte Regelungen bestehen. 
Die Leitungsrechte (§§ 51 bis 56) sind nunmehr gesondert danach geregelt, ob privates Grundeigentum, öffentliches Eigentum oder öffentliches Gut in Anspruch genommen werden soll.
Ebenso sind die verschiedenen Mitbenutzungsrechte (§§ 60 bis 69), die ihre Grundlage sowohl im bisherigen Rechtsbestand des TKG (1997) und des TKG 2003, als auch in der Kostensenkungsrichtlinie 2014/61/EU und im EECC haben, in getrennten Bestimmungen geregelt worden.
Die in der Praxis bewährten Nutzungsrechte sind in den § 57 f ebenso iW unverändert erhalten geblieben, wie die aus der erwähnten Richtlinie 2014/61/EU stammenden Rechte auf Koordinierung von Bauarbeiten (§§ 68 bis 70), auf Zugang zu Mindestinformationen und Vor-Ort-Untersuchungen (§§ 71 bis 73).
Die §§ 74 bis 77 enthalten, ähnlich den bisherigen §§ 10 bis 12 TKG 2003, allgemeine Regelungen für alle Rechte des 7. Abschnitts. Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Regulierungsbehörde sind, ebenfalls für alle Rechte des 7. Abschnitts, nunmehr in § 78 geregelt, wobei auch hier der bewährte Rechtsbestand (§ 12a TKG 2003) iW fortbesteht.

Weitergeführt werden auch die – nie praktisch wirksam gewordene – Bestimmung über mögliche Enteignungen (§ 79) sowie die wiederum auf der Richtlinie 2014/61/EU beruhenden Regelungen über die Zentralen (Informations-)Stellen, vor allem die ZIS (§§ 80 bis 83). § 84 führt – in entsprechend dem Art 22 EECC deutlich adaptierter Form – die bisherige ZIB weiter, während § 85 schließlich eine neue Regelung über die Prüfung von Kooperationen über aktive Netzbestandteile einführt.

2 Ausgewählte Neuerungen

Angesichts des Umfang dieses Beitrags beschränkt sich die folgende Darstellung – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – auf eine Auswahl an Neuerungen des TKG 2021.

2.1 Leitungsrechte an öffentlichem Eigentum

Wie schon seit Ende 2018 besteht weiterhin die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen Kleinantennen (nur) auf öffentlichem Eigentum anzubringen. Unter den neu gefassten Begriff des öffentlichen Eigentums fallen "Liegenschaften ... sowie Objekte, die im Eigentum von Gebietskörperschaften oder von Rechtsträgern stehen, die ihrerseits im Eigentum von Gebietskörperschaften stehen" (§ 4 Z 63) und zwar ggf. auch dann wenn "an einem öffentlichen Eigentum direktes oder indirektes privates Miteigentum" (§ 53 Abs 6) besteht. Nach den Erläuterungen soll damit z.B. durch Ausgliederung aus dem öffentlichen Eigentum geschaffenes Privateigentum (offenbar auch bei nur indirektem Eigentum) ggf. ebenfalls mit einem Leitungsrecht belastet werden können.

2.2 Eingriffshaftung

Mit der Inanspruchnahme eines Leitungsrechts können dem Grundeigentümer Schäden, z.B. Flur- oder Folgeschäden, entstehen. Da diese Schäden nicht aus rechtswidrigen und schuldhaften Schädigungshandlungen resultieren – der Leitungsberechtigte darf ja z.B. den Boden aufgraben, um die Leitung zu verlegen – greift das allgemeine Schadenersatzrecht hier nicht. § 56 Abs 5 TKG 2021 führt daher eine vom Verschulden unabhängige Eingriffshaftung des Leitungsberechtigten für Schäden ein, die "durch die Inanspruchnahme und Ausübung eines Leitungsrechts" entstehen Das jedoch nur, soweit der Grundeigentümer den Schaden nicht selbst verursacht hat.

2.3 Standortrecht

Mit § 59 TKG 2021 führt der Gesetzgeber ein neues Infrastrukturrecht ein, das – ggf. auch über behördliche Anordnungen wie bei den übrigen Infrastrukturrechten – die Errichtung von Standorten ("Antennentragemasten samt allen vor Ort erforderlichen Einrichtungen, die unabhängig von der eingesetzten Technologie für den technischen Betrieb erforderlich sind") ermöglicht. Sowohl der Berechtigten- als auch der Verpflichtetenkreis ist anders abgegrenzt als bei den Leitungsrechten. Der wohl wesentlichste Unterschied zu den Leitungsrechten besteht aber darin, dass deren "weichender" Charakter beim Standortrecht stark eingeschränkt ist. Der Grundeigentümer kann bei Leitungsrechten nach § 75 TKG 2021 (bisher § 11 TKG 2003) grundsätzlich weiterhin beliebig über das Grundeigentum verfügen, auch wenn dadurch der Leitungsberechtigte seine Leitung oder Anlage verlegen oder ggf. sogar entfernen muss. Bei den Standortrechten gilt dies nur insoweit, als nur "Verfügungen wegen nachgewiesener technischer Notwendigkeit" zu berücksichtigen sind. Der Eigentümer hat dem Berechtigten in diesen Fällen überdies auch "einen adäquaten Ersatzstandort anzubieten". Mit dieser deutlich höheren Eingriffsintensität korrespondiert nach den Erläuterungen auch eine höhere Wertminderung, die dem Grundeigentümer abzugelten ist.

2.4 Mitbenutzungsrecht an Verkabelungen samt Zubehör in Gebäuden

In Umsetzung des Art 61 Abs 3 EECC beinhaltet § 63 TKG 2021 eine neue Regelung zur Mitbenutzung von Verkabelungen in Gebäuden. Unter gewissen – wie im EECC auch im TKG 2021 sehr kompliziert geregelten Voraussetzungen – sollen dabei nicht nur die Inhouse Verkabelungen selbst, sondern auch Zuleitungen außerhalb des Gebäuden bis zu bestimmten Konzentrations- oder Verteilungspunkten erschlossen werden können. BEREC hat dazu bereits Leitlinien veröffentlicht.

2.5 Vertragsmuster

Die RTR kann für alle Infrastrukturrechte Muster für Vertragsbedingungen, die ihr als angemessener Interessenausgleich erscheinen, auf ihrer Website veröffentlichen. Die Vertragsmuster sind nicht verbindlich, sollen aber nach den Erläuterungen helfen, Transaktionskosten einzusparen, da sich die Beteiligten bei Verhandlungen über Rahmen- und Einzelvereinbarungen daran orientieren können.

2.6 Zuständigkeit

Die Zuständigkeit für die Anordnung vertragsersetzender Bescheide über Infrastrukturrechte, die bislang bei der Telekom-Control-Kommission gelegen war, ist mit dem TKG 2021 auf die RTR übertragen worden. Anhängige Verfahren sind nach einer Übergangsbestimmung jedoch noch nach der bisherigen Rechtslage und Zuständigkeit zu Ende zu führen.

2.7 Kooperationen über aktive Netzbestandteile

Mit der neuen Bestimmung des § 85 TKG 2021 wird Mobilfunknetzbetreibern zur Unterstützung des Breitbandausbaus grundsätzlich das Recht eingeräumt, Kooperationen über aktive Netzkomponenten abzuschließen (Active Sharing). Aktive Netzkomponenten sind iW solche, die – im Gegensatz etwa zu Masten – mit elektrischer Energie betrieben werden. Da der Gesetzgeber derartige Kooperationen als „wettbewerbsrechtlich idR besonders heikle[.] Vereinbarungen“ (EBRV 1043 Blg 27. GP, 28) einstuft, werden sie einer Kontrolle durch die Telekom-Control-Kommission unterzogen. Diese hat in einem detailliert geregelten Verfahren unter Einbeziehung der Bundeswettbewerbsbehörde und des Bundeskartellanwalts zu entscheiden, ob die angezeigte Kooperation – ggf. unter Auflagen – genehmigt wird oder aus wettbewerbsrechtlichen Gründen zu untersagen ist. In einfacher gelagerten Fällen kann die Telekom-Control-Kommission von einer vertieften Prüfung absehen, wodurch "die Vereinbarung ... als genehmigt" gilt (Genehmigungsfiktion).


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