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  • Newsletter
    03/2022
  • Datum
    08.11.2022

Breitband-Vorleistungsmärkte aus Regulierung entlassen - Entscheidung der TKK beschleunigt Glasfaserausbau

Marktanalyseverfahren werden von der Regulierungsbehörde in regelmäßigen Abständen durchgeführt. Sie dienen der Feststellung, ob ein der Regulierung unterliegender relevanter Markt vorliegt, ob auf einem solchen Markt ein oder mehrere Unternehmen über beträchtliche Marktmacht verfügen und welche Wettbewerbsprobleme bestehen oder aber, ob effektiver Wettbewerb gegeben ist. Liegt kein effektiver Wettbewerb vor, sind dem marktmächtigen Unternehmen geeignete Verpflichtungen aufzuerlegen.

Im Zuge des im Jahr 2020 von der Telekom-Control-Kommission (TKK) eingeleiteten Marktanalyseverfahrens wurde im März 2021 ein Teilverfahren betreffend den Vorleistungsmarkt für lokalen (vormals "Entbündelung") und zentralen (vormals "Bitstreaming") Zugang vom Hauptverfahren abgetrennt; gleichzeitig wurde ein Sachverständigengutachten vorgelegt, in welchem bei Vorleistungsprodukten für Privatkund:innen eine Aufteilung des bisher bundesweiten Marktes in zwei Gebiete empfohlen wurde. Während in den rund 430 Gemeinden des Gebiets 1 (ca. 60 % der Haushalte) eine Aufhebung der Regulierung empfohlen wurde, sollten die bisherigen spezifischen Verpflichtungen der A1 Telekom Austria AG (A1) in den ca. 1.700 Gemeinden des Gebiets 2 (ca. 40 % der Haushalte) bei Vorleistungsprodukten für Privatkund:innen sowie bundesweit bei Vorleistungsprodukten für Geschäftskund:innen im Wesentlichen aufrechterhalten werden.

Im Sommer 2020 nahm A1 mit einigen Vorleistungsnachfrager:innen Verhandlungen über mögliche Konditionen eines kommerziellen Angebots betreffend bundesweite Vorleistungen im Bereich der virtuellen Entbündelung (sog. "vULL 2.0") sowie Kooperation beim Glasfaserausbau in bestimmten Gebieten (sog. "VHCN-Vertrag") auf und legte der TKK nach langen Verhandlungen im Dezember 2021 entsprechende Verträge vor, die sie diesbezüglich mit mehreren Vorleistungspartner:innen abgeschlossen hatte. Da die TKK vor diesem Hintergrund eine Neubewertung der Marktsituation für möglich hielt, beauftragte sie ein weiteres Sachverständigengutachten zur Untersuchung der Auswirkungen dieser privatrechtlichen Vereinbarungen, welches im März 2022 vorgelegt wurde. Das Gutachten kam zu dem Schluss, dass die Konditionen der privatrechtlichen Vereinbarungen insgesamt zu günstigeren Ergebnissen für die Vorleistungsnehmer:innen führten als durch Regulierung hätten erreicht werden können.

 Im Juli 2022 beschloss die TKK einen Maßnahmenentwurf, der unter Berücksichtigung der durch die kommerziellen Vereinbarungen geänderten Marktsituation zu dem Ergebnis gelangte, dass der Vorleistungsmarkt für lokalen und zentralen Zugang für eine sektorspezifische Regulierung nicht mehr relevant sei. Da die entsprechenden Vorleistungen der A1 bei Abschluss der vorerwähnten privatrechtlichen Vereinbarungen für alle potenziellen Vorleistungsnachfrager:innen weiter verfügbar seien, sollten die bislang bestehenden spezifischen Verpflichtungen der A1 – teilweise mit Übergangsfristen bis zu maximal zwei Jahren für die Vorleistungsprodukte "physische Entbündelung" und "Bitstreaming" – aufgehoben werden. 

Nach Durchführung der nationalen Konsultation wurde der Maßnahmenentwurf der Europäischen Kommission und den anderen europäischen Regulierungsbehörden im Rahmen des Koordinationsverfahrens zur Kenntnis gebracht. In ihrer Stellungnahme vom 29. September 2022 hielt die Europäische Kommission fest, dass die von A1 angebotenen Verträge weitgehend die bereits bestehende und möglicherweise geplante Vorabregulierung widerspiegelten und – in Bezug auf den Privatkund:innenmarkt – über die Vorabregulierung hinausgingen, da sie sich auf das gesamte Hoheitsgebiet Österreichs erstreckten. Zudem stünden die vorgeschlagenen Verträge derzeitigen und künftigen Vorleistungsnachfrager:innen zu denselben Bedingungen offen. Auch gewährleisteten die garantierte Laufzeit der Verträge, ihr verbindlicher Charakter, Schutzmaßnahmen gegen Kündigung und die Fähigkeit der TKK, die Umsetzung der Verträge zu überwachen, eine ausreichende Vorhersehbarkeit für die Zugangsinteressent:innen. Da der Verhandlungsprozess schon vor Umsetzung des EECC begonnen habe und auch Bereiche umfasse, die ansonsten nicht der Regulierung unterliegen würden, erhob die Europäische Kommission keine Einwände dagegen, dass die TKK im vorliegenden Fall das in Artikel 79 EECC (umgesetzt in § 98 TKG 2021) vorgesehene Verfahren noch nicht befolgt habe; die künftigen Marktentwicklungen hingen jedoch in hohem Maße von der erfolgreichen Umsetzung der Verträge ab.

Mit der am 10. Oktober 2022 beschlossenen Entscheidung  wurde festgestellt, dass der Vorleistungsmarkt für lokalen und zentralen Zugang für eine sektorspezifische Regulierung nicht mehr relevant ist. Die der A1 bislang auferlegten spezifischen Verpflichtungen wurden – teilweise mit Übergangsfristen für die Vorleistungsprodukte „physische Entbündelung“ (sechs Monate für Neukund:innen und zwei Jahre für Bestandskund:innen der Vorleistungspartner:innen) und "Bitstreaming" (zwölf Monate für Neukund:innen und zwei Jahre für Bestandskund:innen der Vorleistungspartner:innen) – aufgehoben.
Die TKK geht davon aus, dass ihre Entscheidung positive Auswirkungen auf das Investitionsklima erzeugt und dadurch einen maßgeblichen Beitrag zum Glasfaserausbau und der Versorgung mit hochqualitativem Breitbandinternet leisten wird. Der Umstieg auf die neuen Verträge und ihre Umsetzung wird von der TKK genau beobachtet werden.



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