4.2.4 Der Markt für Internetdienste

4.2.4.1 Marktzugang

Um als Anbieter auf dem Markt für Internetdienstleistungen aktiv zu werden, hat ein Newcomer weder bestimmte rechtliche Voraussetzungen noch besondere Anforderungen an die Kapitalausstattung zu erfüllen. Dennoch ist ein Internet Service Provider (ISP), der einen Endkundenmarkt neu zu erschließen hat, auf mehreren Ebenen mit Markteintrittsbarrieren konfrontiert: Insbesondere solche Unternehmen, die bereits als Anbieter von Sprachtelefoniediensten einen Bekanntheitsgrad aufgebaut haben und nunmehr ergänzend auch auf dem Internetsektor tätig sind, verfügen gegenüber neu auftretenden ISPs über Goodwill-Vorteile. Während die Kunden hinsichtlich der Leistungsqualität (z.B. Übertragungskapazität, Häufigkeit von Überlastungssituationen, die Ausfallsicherheit, Korrektheit und Zuverlässigkeit von Rechnungen) etablierter Unternehmen, etwa der Telekom Austria, über Erfahrungswerte verfügen, kann der Kunde eines neuen ISP erst bei Verstreichen einer gewissen Nutzungsdauer Klarheit über die für ihn entscheidenden Qualitätsmerkmale erlangen. Das seitens eines Kunden subjektiv empfundene Risiko, im Zuge des Wechsels zu einem neuen ISP einen bekannten und gewohnten Qualitätsstandard gegen einen möglicherweise schlechteren einzutauschen, erschwert neu eintretenden ISPs die Kundenakquisition. Der Aufbau von Goodwill durch die Wettbewerber und die Überwindung der Gewöhnungseffekte bei potenziellen Nachfragern erfordern Zeit und Marketinginvestitionen, was aus Sicht der neuen ISPs wie eine Marktzutrittsschranke wirkt.

Im Bereich des Endkundenkontaktes kann der Markteintritt neuer ISPs aufgrund von Größen- und Verbundvorteilen etablierter Anbieter ebenfalls erschwert sein. Größenvorteile entstehen dadurch, dass sich bei Providern mit großem Kundenstamm geringere anteilige Durchschnittskosten einstellen, weil das Angebot von Dienstleistungen bzw. die Abwicklung von Tätigkeiten mit hohem Fixkostenanteil, wie beispielsweise die Beschaffung von Billing Software, administrative Tätigkeiten wie die Rechnungserstellung oder der Betrieb von Call Centern, auf eine größere Anzahl von Kunden umgelegt werden kann. Bei "Mehrproduktunternehmen", die sowohl Telekommunikations- als auch Internetdienstleistungen anbieten, können Verbundeffekte zum Tragen kommen. Über Call Center werden beispielsweise sämtliche Kunden des Providers beraten, unabhängig davon, ob sie nur Internet-Zugang beziehen oder eventuell auch Telefonkunde des Providers sind. Zudem verfügen Mehrproduktunternehmen über die Möglichkeit, Produktbündel (z. B. Sprachtelefonie und Internetdienstleistungen) zu schnüren, die attraktiver sind als die separaten Angebote der jeweiligen Dienstleistungen.

Ähnliche Größenvorteile ergeben sich auch auf der Ebene der Vermittlungstechnik, wo hohe (Sprung-)Fixkosten durch den Betrieb von Netzeinwahlknoten und die damit verbundene Notwendigkeit, Router, Modempools, Server etc. zu beschaffen, verursacht werden. Etablierte ISPs haben – da sich die Fixkosten auf eine höhere Anzahl von Internetkunden verteilen – geringere Durchschnittskosten, die sie in Form niedrigerer Tarife in Wettbewerbsvorteile umwandeln können. Erst bei starkem Anstieg der Kundenzahlen kann eine Aufrüstung der Netzeinwahlknoten oder Erhöhung der Zahl der Knoten erforderlich werden, um eine bestimmte Qualität der Servicebereitstellung zu erhalten (z. B. schnelle Einwahl etc.).

Wettbewerbsprobleme im Internetbereich sind vielfach auch in Zusammenhang mit der Vorleistungsabhängigkeit der ISPs zu sehen, da die Notwendigkeit des Rückgriffs auf die Infrastruktur voll integrierter Telekommunikationsbetreiber – insbesondere der Telekom Austria – häufig eine starke Einengung ihres Marktverhaltensspielraums (weniger Tarifgestaltungsmöglichkeiten, Nachteile bei der Produktdifferenzierung) nach sich zieht.

Soweit Internetzugänge und -dienstleistungen auf der Basis des Telefonnetzes über ein analoges oder ISDN-Modem realisiert werden, sind ISPs zum Großteil hinsichtlich der Bereitstellung von Internetkonnektivität gegenüber den Endkunden auf zweifache Art und Weise auf die Vorleistungen anderer Unternehmen angewiesen.

 

 

 

Erstens wird die Anbindung des Kunden an den ISP aus technischer Sicht nicht von diesem selbst vorgenommen, sondern über die Telefonverbindung (zumindest) jenes Telekommunikationsbetreibers, der die Infrastruktur zwischen Teilnehmer und Einwahlknoten (Point of Presence) des ISP bereitstellt. Zweitens greifen manche ISPs auch für die Weiterleitung des Datenverkehrs von den Einwahlknoten in das Internet-Backbone auf die Übertragungswege eines weiteren Netzbetreibers zurück.

Für den breitbandigen und damit schnellen Internetzugang werden am Markt Mietleitungen (Standleitungen) sowie Anschlüsse auf Basis der Kabeltechnologie und der verschiedenen Varianten der DSL-Technologie (ADSL, SDSL, HDSL, VDSL) angeboten. Beim Internetzugang über eine Standleitung stellt der Anbieter dem Kunden zwischen zwei geografisch definierten Netzabschlusspunkten eine Leitung mit einer fest vorgegebenen Datenrate permanent zur Verfügung. Als Anbieter von Standleitungen treten neben der Telekom Austria alternative Telekommunikationsbetreiber auf.

Kabelnetzbetreiber offerieren ihren Kunden vor allem in Wien und anderen Landeshauptstädten über ihre Kabelfernsehnetze einen breitbandigen Zugang zum Internet. Mit über 220.000 Kunden Ende 2001 (gegenüber 129.000 Ende 2000) kommt gegenwärtig dieser Form des breitbandigen Zugangs zum Internet in quantitativer Hinsicht die größte Bedeutung zu. Während die Kabeltechnologie nur in regionalen Ballungsräumen als Zugangstechnologie zur Verfügung steht, kann die Telekom Austria über ihr Anschlussnetz nahezu 70 % der österreichischen Haushalte mit Internetzugang und Internetservices auf DSL-Basis versorgen. Für die Telekom Austria, in deren Eigentum sich der bei weitem überwiegende Teil des Anschlussnetzes befindet, bietet die DSL-Technologie die Chance, ohne umfangreiche Umrüstungsinvestitionen die bestehende Netzinfrastruktur für andere Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen.

Die neuen Wettbewerber haben dagegen keinen Anreiz, ein eigenes Anschlussnetz auf Basis von Kupferkabeln zu verlegen, da sie bei Eigenerschließung des Teilnehmeranschlusses aufgrund der notwendigen Grabungs- und Kabelverlegungsarbeiten hohe Kosten zu tragen hätten, die größtenteils versunkene Kosten darstellen. Um auch den ISPs bzw. alternativen Telekommunikationsbetreibern die Möglichkeit zu eröffnen, ihren Endkunden auf DSL-Basis Internetdienste anzubieten, hat die Telekom Austria nach Intervention der RTR-GmbH und Verhandlungen mit der Vereinigung der ISPA ein Standard-Wholesale-Angebot gelegt, das allen ISPs ADSL-Zugang zur Verfügung stellt. Abb. 73 zeigt die Entwicklung der ADSL-Zugänge und ihre Aufteilung zwischen Jet2Web und dem auf alle übrigen ISPs entfallenden Wholesale-Angebot. Trotz dieses Übereinkommens eröffnet die immer noch fast monopolartige Stellung der Telekom Austria im Local-Loop-Bereich Potenzial für ein Marktverhalten, das die Umsetzung der Netzöffnung faktisch erschwert. Indem Telekom Austria das Standard-Wholesale-Angebot für Bit-Streaming sowie die Bereitstellung der Kollokationsräume und Übergabe der CuDA verschiedentlich erschwert und somit den Markteintritt ihrer Konkurrenten bei Breitband-Internet verzögert hat, hat sie einen First-Mover-Advantage gewonnen (vgl. die Aufteilung der ADSL-Anschlüsse in Abb. 73).

Das erste Unternehmen, das dem Kunden ein innovatives Produkt anbietet, profitiert von seinem Vorsprung, weil seine Mitbewerber erst nachziehen müssen und die gesamte Aufmerksamkeit der Medien auf dieses Unternehmen gelenkt ist. Wenn die Präsenz des First-Mover dazu führt, dass jeder weitere Wettbewerber zu einer Erhöhung seiner Werbeausgaben gezwungen ist, um sich überhaupt ins Bewusstsein potenzieller Kunden zu rufen, wirkt diese Strategie wie die Errichtung einer Marktbarriere.

Die Schwierigkeiten der ISPs, am Markt Fuß zu fassen und sich im Wettbewerb gegenüber den Telekom-Internet-Anbietern zu behaupten, schlagen sich – wie der Abb. 74 zu entnehmen ist – in einem Verlust von Marktanteilen sowie in einer wachsenden Dominanz der Mehrproduktunternehmen nieder (Stichwort "One-Stop-Shopping").


Abb. 73: Entwicklung der ADSL-Zugänge der Telekom Austria

Abb. 74: Marktanteile augewählter ISPs
  Legende zu Abb 74
 
Aufgrund der Vielzahl an Betreibern und der fehlenden Verpflichtung zur Datenlieferung sind verlässliche Daten auf der Anbieterseite kaum erhältlich. Darüber hinaus stellen die Internet-Dienste keine homogene Produktgruppe dar, sondern darunter kann von der reinen ISP-Leistung des Zugangs ins Internet über die Leistungen des Telekommunikationsbetreibers bis zu den Mehrdiensten wie Webspace vieles subsumiert werden. Als Regulierungsbehörde liegt unser Hauptaugenmerk auf dem Zugang ins Internet mittels Telekommunikationsinfrastruktur. Die Umsätze für diesen Zugang sind 2001 relativ konstant geblieben, sie unterliegen aber starken Schwankungen in den einzelnen Monaten (vgl. Abb. 75). In den Zahlen sind die Umsätze aus Breitbandzugang nicht enthalten.   Abb. 75: Umsatz aus Internet-Zugang 2001

     
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4.2.4.3 Tarife
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