6.2.4.1 Kernnetzstruktur

Seit Anfang des Jahres 2000 sind in Österreich ausschließlich rechnergesteuerte Vermittlungsstellen, die auch über ein digitales Koppelfeld verfügen, im Einsatz. Die einzelnen Vermittlungsstellen eines Netzes sind mittels
2-Mbit/s-Systemen (PCM30) verbunden. Innerhalb eines PCM30-Systems können gleichzeitig 30 Sprach- bzw. Datenverbindungen (Nutzkanäle) mit jeweils 64 kbit/s abgewickelt werden.
Ein 125-Mikrosekunden-Rahmen wird dabei in 32 Zeitschlitze unterteilt (zwei davon werden für spezielle Zwecke genutzt und stehen für die Nutzdatenübertragung nicht zur Verfügung). Innerhalb jedes Zeitschlitzes wird 8.000 mal in der Sekunde ein 8-Bit-Wert übertragen.

Die 2-Mbit/s-Systeme zwischen den Netzknoten der großen Vermittlungsnetze darf man sich hinsichtlich der Realisierung nicht als unabhängige Einzelsysteme vorstellen. Diese festen (nicht durch Teilnehmersignalisierung beeinflussbaren) Verbindungen zwischen den Vermittlungsstellen werden im so genannten übertragungstechnischen Netz realisiert, das im Gesamtmodell unterhalb des Vermittlungsnetzes liegt. Moderne Weitverkehrs-Übertragungsnetze beruhen auf SDH-Systemen ("Synchrone Digitale Hierarchie"), die als physikalisches Medium unter anderem Glasfaserleitungen nutzen. Diese Glasfasern verbinden die einzelnen Netzknoten oft in Ringstruktur, wobei aus Redundanzgründen typisch zwei gegenläufige Ringe verwendet werden. SDH-Systeme bilden in der Regel auch die Basis für ATM-Netze. Die Datenraten in SDH-Systemen liegen bei 155 Mbit/s ("STM-1"),
622 Mbit/s ("STM-4" = 4 x STM-1) und 2488 Mbit/s ("STM-16" = 4 x STM-4). Über so genannte
Add-/Drop-Multiplexer werden niederbitratige "Transporteinheiten" (z.B. 64 kbit/s, 2 Mbit/s, 34 Mbit/s) in das SDH-System ein- bzw. ausgekoppelt. Auch im Übertragungsnetz gibt es software-gesteuerte Netzknoten, die als Cross-Connector bezeichnet werden. Sie dienen der "semipermanenten" (nicht verbindungsindividuellen Schaltung von Wegen im Übertragungsnetz mithilfe von Netzmanagementfunktionen.

Das Koppelfeld einer digitalen Vermittlungsstelle dient der Verbindung ("Durchschaltung") der ankommenden 64-kbit/s-Nutzkanäle auf die von der Software-Steuerung der Vermittlungsstelle festgelegten abgehenden 64-kbit/s-Nutzkanäle. Beim Koppelvorgang kann sich das physisch genutzte PCM30-System und/oder die Nummer des genutzten Zeitschlitzes ändern ("Raum-/
Zeitkoppelfeld").

Die einzelnen Vermittlungsstellen der Telekom Austria sind untereinander nicht vollkommen vermascht (also nicht jede Vermittlungsstelle mit jeder), sondern entsprechend einer hierarchischen Netzstruktur. Man spricht teilweise noch von drei Netzebenen: Hauptvermittlungsstellen (HVSt), Netzvermittlungsstellen (NVSt) und Ortsvermittlungsstellen (OVSt). In Zukunft wird man nur noch zwischen Hauptvermittlungsstellen (ohne angeschlossene Teilnehmer) und Teilnehmervermittlungsstellen unterscheiden. Mit dem Blick in die Zukunft wurden bei TKK-Zusammenschaltungsanordnungen von Anfang an grundsätzlich nur zwei Ebenen berücksichtigt: die HVSt-Ebene ohne direkt angeschaltete Teilnehmer und die niedere Netz(hierarchie)-
ebene als Ebene der Teilnehmervermittlungsstellen.

Im Kernnetz der Telekom Austria gibt es im Bereich der Teilnehmervermittlungsstellen die Besonderheit der so genannten "unselbständigen" Vermittlungsstellen (UVSt). Aus technischer Sicht handelt es sich bei einer UVSt um einen Bestandteil eines Vermittlungssystems, der örtlich abgesetzt vom Standort der Schaltzentrale betrieben wird, wobei die Kopplung der Systemteile über 2-Mbit/s-Übertragungssysteme erfolgt. Durch den Einsatz von UVSt kann einerseits die Anzahl der teuren Schaltzentralen gering gehalten und andererseits eine Länge der Teilnehmeranschlussleitungen begrenzt werden. An den Standorten der UVSt werden die Teilnehmeranschlussleitungen an den so genannten Hauptverteilern mit den entsprechenden Leitungen von den Teilnehmermodulen der UVSt verbunden (ohne UVSt kommen die Teilnehmermodule direkt am Standort der Schaltzentrale zum Einsatz). Teilnehmermodule gibt es für die analogen Teilnehmeranschlüsse (POTS) und die digitalen ISDN-Anschlüsse. Aktuell gibt es im Netz der Telekom Austria neben den etwa 200 Schaltzentralen ("Vollvermittlungsstellen") über tausend UVSt.

 

 

Die Steuerung einer UVSt erfolgt durch den zentralen Vermittlungsrechner mittels Signalisierung über die 2-Mbit/s-Systeme. Die Hauptaufgabe einer UVSt ist - neben der
Analog-/Digitalwandlung im Fall von POTS - die Konzentration des Verkehrs.

Mit Verkehrskonzentration ist gemeint, dass die Zahl der Nutzkanäle zwischen einer UVSt und den zugehörigen Teilnehmern (bei POTS ein Kanal je Leitung, bei ISDN zwei bzw. 30 Kanäle je Leitung) wesentlich höher ist, als die Zahl der Kanäle zwischen der UVSt und der Schaltzentrale. Es können also nicht alle Teilnehmer gleichzeitig telefonieren, was in der Praxis aber auch nicht stört. Die entsprechenden Dimensionierungen werden basierend auf dem "Verkehrswert" (durchschnittliche Häufigkeit/Dauer von Gesprächen) der angeschalteten Teilnehmer nach den Regeln der "Verkehrstheorie" so vorgenommen, dass die Zahl der notwendigen 64-kbit/s-Nutzkanäle (bzw. Anzahl der 2-Mbit/s-Systeme) zwischen UVSt und Schaltzentrale zwar minimiert wird, ohne dass es aber für die Teilnehmer zu merkbaren Einschränkungen kommt. Schwierigkeiten können sich ergeben, wenn sich der zugrunde gelegte Verkehrswert vieler Teilnehmer deutlich erhöht. Ein in diesem Zusammenhang intensiv diskutiertes Thema sind die Modem-Einwählverbindungen ins Internet, weil durch die typischen langen Verbindungsdauern das Verkehrsvolumen einzelner Teilnehmer stark ansteigen kann - insbesondere dann, wenn die Kosten dafür sehr niedrig bzw. überhaupt unabhängig von der Nutzungsdauer sind ("Flat-Tarif").

Innerhalb eines Vermittlungsnetzes, ist generell zwischen dem Nutzkanalnetz und dem Signalisierungsnetz zu unterscheiden. Während das Nutzkanalnetz dem Transport der Nutzdaten der Endkunden dient (Sprache, Daten), wird das Signalisierungsnetz zum Informationsaustausch zwischen den Vermittlungsstellen - insbesondere zu Steuerungszwecken in der Verbindungsaufbau- und -abbauphase genutzt.

Wie das Nutzkanalnetz, nutzt auch das Signalisierungsnetz 64-kbit/s-Kanäle in den von bzw. zur Vermittlungsstelle führenden 2-Mbit/s-Systemen. Während allerdings das Nutzkanalnetz "zusammengeschaltete" Vermittlungsstellen jeweils physisch direkt verbindet, erfolgt die Kopplung der Vermittlungsstellen im Signalisierungsnetz in der Regel indirekt.

Um die Zahl der Signalisierungsverbindungen zwischen den Vermittlungsstellen, sowie der in den einzelnen Vermittlungsstellen notwendigen speziellen Hardware- und Software-Einrichtungen zu optimieren, werden die Signalisierungskanäle von jeder Vermittlungsstelle typisch direkt nur zu zwei (Ausfallsschutz) zentralen Transferrechnern ("Signalling Transfer Points", STP) geschaltet. Aufgrund der in den Nachrichten immer enthaltenen Adresse der Zielvermittlungsstelle ("Point Codes" des ZGV7) kann ein STP eine entsprechende (transparente) Weiterleitung der Nachrichten realisieren. Neben den geringeren Kosten begünstigt die zentrale Funktion der STP zusätzliche Netzmonitoringfunktionen, wie beispielsweise ein Screening des gesamten Signalisierungsverkehrs. In Abhängigkeit vom Signalisierungsaufkommen können auch mehrere STP-Paare realisiert werden.

Wie bereits im Kapitel "Leitungs- und Paketvermittlung" angemerkt, entspricht das im ZGV7 genutzte Vermittlungsverfahren zur Weiterleitung von Signalisierungsnachrichten einem Datagrammdienst, wobei die Zuverlässigkeit der im Signalisierungsnetz eines klassischen Sprachtelefonnetzes eingesetzten technischen Komponenten sehr hoch ist und durch die redundante doppelte Anbindung der Vermittlungsstellen an die STP-Paare ein praktisch weitgehend ausfallsicheres System vorliegt.

 

     
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