Trusted Flaggers (dt. vertrauenswürdige Hinweisgeber) sind Organisationen, die Expertise im Umgang mit bestimmten rechtswidrigen Inhalten (z.B. im Bereich Hate Speech, Urheberrecht, o.ä.) mitbringen und deren Meldungen rechtswidriger Inhalte auf Online-Plattformen bevorzugt behandelt werden müssen.
Im Rahmen des Digital Services Act (DSA), der in allen EU-Mitgliedstaaten gilt und im November 2022 in Kraft getreten ist, wurden „Trusted Flaggers“ eingeführt. Der DSA definiert Trusted Flagger als Institutionen, die besondere Sachkenntnis und Kompetenz in Bezug auf die Erkennung, Feststellung und Meldung rechtswidriger Inhalte aufweisen. Diese Institutionen müssen unabhängig von Anbietern von Online-Plattformen sein, ihre Tätigkeit - nämlich die Meldung rechtswidriger Sachverhalte - muss sorgfältig, genau und objektiv ausgeübt werden. Plattformanbieter sind verpflichtet, diese Meldungen vorrangig zu prüfen. Der Begriff „Trusted Flagger“ entspricht dem deutschen Begriff „vertrauenswürdige Hinweisgeber“.
Was bedeutet dies in der Praxis? Organisationen mit entsprechender Erfahrung wird bei Erfüllung der oben genannten Voraussetzungen (diesen Prozess nennt man Zertifizierung) durch den Koordinator für digitale Dienste das Recht eingeräumt, dass ihre Meldungen über rechtswidrige Inhalte (die im Übrigen durch den DSA jedem/r Nutzer:in einer Online-Plattform eingeräumt werden müssen) von der Plattform bevorzugt behandelt, unverzüglich bearbeitet und einer Entscheidung zugeführt werden.
Das Konzept des Trusted Flaggers ist nicht neu. Große Plattformen arbeiten schon lange mit unabhängigen Organisationen zusammen, um bestimmte illegale Inhalte zu melden, die gesetzliche Verankerung durch die EU ist ein Schritt, um den Schutz vor illegalen Inhalten mit der Meinungsfreiheit in Einklang zu bringen.
Der DSA verpflichtet Hostingdienstanbieter (das sind Internetdienste die von einem Nutzer bereitgestellte Informationen in dessen Auftrag speichern) nutzerfreundliche Verfahren einzurichten, mit denen Personen oder Einrichtungen Inhalte melden können, die sie für rechtswidrig halten.
Populäre Online-Plattformen haben hohe Zahlen an Nutzer:innen, die potentiell rechtswidrige Inhalte melden können. In Verbindung mit der großen Menge von Inhalten, die auf diesen Plattformen verbreitet werden, kann das zu einem hohen Aufkommen an Meldungen führen, die von den Plattformen geprüft werden müssen. Auch wenn solche gemeldeten rechtswidrige Inhalte von der Plattform unverzüglich zu löschen sind, kann es einige Zeit dauern bis eine berechtigte Meldung zur Entfernung eines rechtswidrigen Inhaltes führt.
Um die Verbreitung rechtswidriger Inhalte schnell zu unterbinden, müssen die Meldungen von zertifizierten Trusted Flaggern - Institutionen die nachweisliche Erfahrung und Kompetenz bei der Erkennung und Meldung schädlicher Inhalte haben - vorrangig von der jeweiligen Plattform behandelt und einer Entscheidung zugeführt werden. Ein Trusted Flagger, der in einem Mitgliedstaat von einem DSC zertifiziert wurde, kann grundsätzlich alle Arten rechtswidriger Inhalte, also nicht nur jene, die in seinem Tätigkeitsbereich liegen melden. Außerdem kann sich jeder Nutzer in der EU, also auch einer aus einem anderen Mitgliedstaat, an ihn wenden.
Auf Grund der Erfahrung der Trusted Flagger in bestimmten Bereichen können sie Meldungen von Nutzer:innen, die sich an sie wenden, entsprechend sachgerecht und schnell bearbeiten. Aufgrund ihres Fachwissens können sie die Nutzer:innen beraten, ob der festgestellte Sachverhalt überhaupt einen Verstoß gegen nationales oder europäisches Recht darstellt. Sie sind somit eine Art Interessensvertretung von Nutzer:innen. Damit ist sowohl den Betroffenen als auch den Plattformen geholfen, da eine Effizienzsteigerung bei der Entfernung rechtswidriger Inhalte erreicht wird. Wichtig ist, dass auch bei einer Einschätzung des Sachverhalts durch die jeweilige Organisation, dass es sich nicht um einen Rechtsverstoß handelt, die Möglichkeit einer Meldung durch den/die betroffene Nutzer:in sowie die Verpflichtung der Plattform, die Meldung zu prüfen, eine Ablehnung zu begründen und gegebenenfalls den Inhalt zu entfernen, bestehen bleiben
Seit einiger Zeit haben manche Plattformen freiwillig Trusted Flaggers zugelassen, dies wird bzw. kann es auch weiter geben, hier besteht allerdings keine Möglichkeit der Rechtsdurchsetzung falls eine freiwillige Vereinbarung nicht eingehalten wird.
Zertifizierte Trusted Flaggers veröffentlichen zudem jährliche Berichte zu den von ihnen erstatten Meldungen.
Grundsätzlich kann jede Stelle in Österreich, die über Fachwissen zu einer bestimmten Art von illegalen Inhalten verfügt, einen Antrag auf diesen Status stellen.
Der Status als zertifizierter Trusted Flagger wird gemäß Art. 21 DSA auf Antrag des DSC (Koordinator für Digitale Dienste) desjenigen Mitgliedstaates, in dem die antragstellende Organisation ihren Sitz hat, zuerkannt. Die antragstellende Organisation muss dabei nachweisen, dass sie:
Aktuell sind in Österreich fünf Trusted Flagger durch die KommAustria als DSC für Österreich zertifiziert. Diese sind:
Eine aktuelle Liste aller von den DSC gemeldeten Trusted Flaggers wird von der Europäischen Kommission hier veröffentlicht.
Nein! Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist in Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention und in der österreichischen Bundesverfassung verankert. Es garantiert, dass jeder Mensch das Recht auf freie Meinungsäußerung hat. Dieses Recht sichert auch den freien Zugang zu Informationen (im deutschen Sprachgebrauch: „Nachrichten“) und Ideen, ohne Eingriffe staatlicher Stellen befürchten zu müssen und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen.
Dieses Grundrecht wird weder durch Trusted Flagger noch durch DSCs beeinträchtigt! Vielmehr tragen Trusted Flagger durch ihre Meldungen dazu bei, dass das Internet ein sicherer Ort bleibt, an dem niemand befürchten muss, wegen seiner Meinung diskriminiert oder gar bedroht zu werden. Die Meldungen müssen sich auf rechtswidrige Inhalte beziehen, die auch "im normalen Leben" eine Rechtsverletzung darstellen würden. Es werden keine neuen Rechtsgrundlagen geschaffen.
Trusted Flagger haben keine Entscheidungsbefugnis darüber, welche Inhalte tatsächlich von den Plattformen entfernt werden, und sie haben auch keinen Einfluss darauf, welche Äußerungen rechtswidrig sind. Die Plattformen müssen selbst entscheiden, ob eine Meldung durch den Trusted Flagger rechtswidrig ist oder nicht. Es handelt sich lediglich um eine Professionalisierung der Meldungen durch in einem oder mehreren Bereichen erfahrene Organisationen. Die Plattformen kommen trotz einschlägiger Meldungen von Trusted Flaggen zu einer eigenen Einschätzung. Das heißt, sie können auch zu dem Ergebnis kommen, dass die Meldung nicht rechtswidrig ist und nicht gelöscht werden muss. Sie verlieren allenfalls ihr Haftungsprivileg (d.h. sie sind grundsätzlich nicht verantwortlich, wenn über ihre Dienste rechtswidrige Inhalte verbreitet werden, es sei denn - wie im Fall der Meldung durch einen Trusted Flagger - sie haben davon Kenntnis erlangt). Trusted Flagger suchen in der Regel auch nicht aktiv nach rechtswidrigen Inhalten im Netz, sondern werden meist im Zuge von Nutzer:innenbeschwerden tätig.
Hassreden auf digitalen Plattformen stellen nicht zwangsläufig illegale Inhalte dar, können aber gegen die Nutzungsbedingungen der Plattformen verstoßen und entfernt werden. Die Entscheidung darüber, welche Inhalte gegen die Nutzungsbedingungen verstoßen, liegt bei der jeweiligen Plattform. Welche Inhalte gegen die Nutzungsbedingungen der Plattformen verstoßen, muss laut DSA in den AGB klar erkennbar und für die Nutzer erkennbar sein. Nutzer müssen zudem über die Löschung begründet informiert werden und die Möglichkeit haben, sich dagegen bei der Plattform zu beschweren. Plattformen sind nach dem DSA zudem verpflichtet, Inhalte zu entfernen, die gegen geltendes Recht verstoßen. Die Grenze zwischen Meinungsäußerung und strafbaren Äußerungen ist gesetzlich klar geregelt.
Wo die Grenze zwischen legitimer Meinungsäußerung und strafbarem Verhalten besteht, wird in Österreich auf Grund geltender Rechtsgrundlagen festgelegt. Strafbar sind demnach unter anderem Äußerungen, die den Tatbestand der Verhetzung erfüllen. Hierzu zählen Beschimpfungen (§ 283 Abs 1 Z 2 StGB), Aufrufe zur Gewalt oder Hass (§ 283 Abs 1 Z 1 StGB), das Leugnen von Völkermorden (§ 283 Abs. 1 Z 3 StGB), öffentliches Verfügbarmachen von verhetzendem schriftlichem Material, Bildern und sonstigen Darstellungen (§ 283 Abs. 4 StGB), sowie Strafdrohungen (§ 283 Abs. 1 StGB). Hierbei ist wichtig zu betonen, dass Äußerungen, die in eine dieser Kategorien fallen schon lange vor dem DSA strafbar waren und sich die Strafbarkeit nicht auf den digitalen Raum beschränkt.
Der DSA garantiert mehrere Mechanismen, die sicherstellen, dass Posts und Inhalte nicht willkürlich entfernt werden und dass Nutzer:innen die Möglichkeit haben, eine ungerechtfertigte Entfernung anzufechten. Außerdem sind Online-Plattformen dazu verpflichtet, Sperrungen und Entfernungen zu begründen. Zudem müssen Nutzer:innen die Möglichkeit haben, sich an eine von der Plattform bereitgestellte Schlichtungsstelle zu wenden. Online-Plattformen müssen ein internes Beschwerdemanagement einrichten. Wenn Ihr Beitrag gelöscht wurde, sollten Sie sich daher zunächst mit der Plattform in Verbindung setzen und Einspruch gegen die Löschung einlegen.
Wenn Sie eine Beschwerde bei einer Online-Plattform haben, die nicht mit den Mitteln des Beschwerdemanagements gelöst werden kann, können Sie sich an eine zertifizierte außergerichtliche Streitbeilegungsstelle wenden. Auch wenn Sie eine Entscheidung einer Online-Plattform erhalten, wonach Sie Inhalte bereitgestellt haben, die rechtswidrig sind oder gegen die AGB der Online-Plattform verstoßen, haben Sie das Recht, sich an eine Streitbeilegungsstelle zu wenden. Dies betrifft folgende Arten von Entscheidungen