(Susanne Forizs)
Mit der Gigabit-Infrastrukturverordnung (GIA; Verordnung (EU) 2024/1309) wird ein umfassender Rahmen für den schnelleren und kostengünstigeren Aufbau von Netzen mit sehr hoher Kapazität (VHC-Netzen, "Very High Capacity Networks") in der Europäischen Union (EU) geschaffen.
Seit dem 12.11.2025 gelten die meisten Artikel dieser europäischen Verordnung in Österreich unmittelbar (Ausnahmen siehe Art 19 Abs 3 GIA). Damit ist eine Umsetzung der Gigabit-Infrastrukturverordnung in nationales Recht nicht möglich. Die RTR-GmbH geht jedoch davon aus, dass eine entsprechende Begleitgesetzgebung durch den nationalen Gesetzgeber erfolgen wird, da beispielsweise gewisse Zuständigkeiten national festzulegen bzw. bestehende TKG-Bestimmungen teilweise aufzuheben sind.
Der GIA stellt eine evolutionäre Nachfolge der Regelungen dar, die in der "Breitbandausbau-Kostensenkungs-Richtlinie" (RL 2014/61/EU) aus dem Jahr 2014 vorgesehen waren (siehe Entsprechungstabelle in Anhang 1). Diese Richtlinie wurde mit dem GIA aufgehoben.
Auf Grund der evolutionären Nachfolge sind die vorgesehenen Rechte, die sich aus dem GIA ergeben, wie etwa das Recht auf Zugang zu bestehenden physischen Infrastrukturen nach Art 3 GIA oder die Verpflichtung zur Koordinierung von Bauarbeiten nach Art 5 GIA, bereits weitgehend im österreichischen Recht (TKG 2021) verankert: So war die Möglichkeit, fremde physische Infrastrukturen zu nutzen, bereits in der "Breitbandausbau-Kostensenkungs-Richtlinie" vorgesehen und wurde im TKG 2021 als Mitbenutzung nach §§ 60ff TKG 2021 umgesetzt, ebenso die Baukoordinierung (§§ 68f TKG 2021).
Um den Ausbau von VHC-Netzen zu fördern, setzt der Verordnungsgeber weiterhin auf "Mitbenutzung" und "Baukoordinierung" sowie auf die dafür flankierend notwendige Meldung von physischen Infrastrukturen (Art 4 GIA) und von geplanten Bauarbeiten (Art 6 GIA). Die RTR betreibt die Zentrale Stelle für Infrastrukturdaten (ZIS -§ 80 TKG 2021). Die ZIS enthält Informationen über nutzbare Infrastrukturen und über geplante Bauvorhaben, um die Mitbenutzung bzw. die Koordinierung von Bauvorhaben zu unterstützen.
In weiter Folge werden einzelne Aspekte betreffend den "Zugang zu bestehenden physischen Infrastrukturen nach Art 3 GIA" sowie der "Baukoordinierung nach Art 5 GIA" dargestellt.
Im TKG 2021 sind die Regelungen zu Mitbenutzung in §§ 60ff TKG 2021 zu finden. Solange keine Begleitgesetzgebung erfolgt, ist die Anwendbarkeit der Bestimmungen im TKG 2021 im Einzelfall zu prüfen und zu beurteilen, ob bzw. in welchem Umfang die Regelungen seit der Geltung der Gigabit-Infrastrukturverordnung noch angewendet werden dürfen.
In Zusammenhang mit Art 3 GIA ist hervorzugehen, dass nach dem GIA der Begriff "physische Infrastrukturen" weiter definiert ist als bisher, es fallen unter gewissen Umständen auch Infrastrukturen, die nicht Teil eines Netzes sind, ebenfalls darunter (Vgl dazu Art 2 Abs 4 lit b GIA: "soweit sie nicht Teil eines Netzes sind und sich im Eigentum oder unter der Kontrolle öffentlicher Stellen befinden — Gebäude einschließlich Dächern und Fassadenteilen oder Gebäudeeingänge und sonstige Objekte, einschließlich Straßenmobiliar wie etwa Lichtmasten, Verkehrsschilder, Verkehrsampeln, Reklametafeln und Mautstellen sowie Bus- und Straßenbahnhaltestellen sowie U-Bahn-Stationen und Bahnhöfe.")
Mit der nunmehr vorliegenden Definition wurde der Kreis von mitbenutzungsfähiger Infrastruktur stark erweitert. Die Auswirkung dieser Erweiterung in der Praxis bleibt abzuwarten,
Für die Festlegung fairer und angemessener Bedingungen, einschließlich der Preise, wird in Art 3 Abs 4 Unterabsatz 1 lit a bis f GIA festgelegt, welche Bedingungen zumindest zu berücksichtigen sind. In der Praxis ist davon auszugehen, dass die Erstellung eines wirtschaftlichen Gutachtens durch Amtssachverständige erforderlich sein wird.
Die Verweigerungsgründe sind in Art 3 Abs 5 Unterabsatz 1 GIA genannt Die Beurteilung der Gründe kann im Einzelfall ein technisches Gutachten erforderlich machen.
Die Frist für eine Entscheidung der nationalen Streitbeilegungsstelle wird mit vier Monaten (Art 13 Abs 2 Unterabsatz 1 lit a GIA) von der Verordnung festgelegt.
Im TKG 2021 sind die Regelungen zur Baukoordinierung in §§ 68f TKG 2021 zu finden. Auch diesfalls gilt, dass die Anwendbarkeit der Bestimmungen im TKG 2021 im Einzelfall zu prüfen sein wird, solange keine Begleitgesetzgebung erfolgt ist.
Öffentliche Stellen, die Eigentümer physischer Infrastrukturen sind oder diese kontrollieren, und Netzbetreiber, die direkt oder indirekt Bauarbeiten ausführen oder auszuführen planen, müssen anderen Netzbetreibern auf Nachfrage ein Angebot auf Abschluss einer Vereinbarung über die Koordinierung dieser Bauarbeiten machen, wenn zumindest einer der Beteiligten den Aufbau von Komponenten von VHC-Netzen plant.
Die Gigabit-Infrastrukturverordnung legt im Wesentlichen Mindestanforderungen fest. Mitgliedstaaten können strengere oder ausführlichere Maßnahmen einführen, sofern keine Vollharmonisierung vorgesehen ist (siehe Art 1 Abs. 3 GIA). Art 1 Abs 4 GIA nennt jene Bestimmungen, für die eine Vollharmonisierung vorgesehen ist.
Im Bereich der Baukoordinierung ist in Art 5 GIA für die Stattgabe von Anträgen auf Baukoordinierung eine Vollharmonisierung vorgesehen. Anträgen auf Baukoordinierung muss unter den in Art 5 Abs 2 Unterabsatz 2 lit a bis c GIA genannten Gründen damit stattgegeben werden.
Einzelne Anträge auf Baukoordinierung können jedoch "unzumutbar" sein (Art 5 Abs 4 Unterabsatz 1 GIA).
BEREC hat Leitlinien für die Anwendung von Art 5 GIA und zur Kostenaufteilung erstellt: BEREC Guidelines on the coordination of civil works according to Article 5(6) of the Gigabit Infrastructure Act.
Nach Art 13 Abs 2 Unterabsatz 1 lit b GIA ist innerhalb von einem Monat ab Einlangen des Antrages durch die zuständige nationale Streitbeilegungsstelle zu entscheiden. Für eine vertragsersetzende Entscheidung unter Wahrung der Rechte der Parteien (Parteigehör) und gegebenenfalls der Erstellung eines Gutachtens zur Erhebung und Umlegung der Kosten ist die vorgesehene Frist sehr ambitioniert.
In Bezug auf die Gigabit-Infrastrukturverordnung bleibt die Begleitgesetzgebung durch den nationalen Gesetzgeber abzuwarten, insbesondere sind nationale Zuständigkeiten durch die Begleitgesetzgebung festzulegen.
Die Gigabit-Infrastrukturverordnung wird zukünftige viel spannende Fragestellungen aufwerfen. Bei Unklarheiten kommt dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) das Auslegungsmonopol zu; dies bedeutet, dass der EuGH zuständig ist, die Gigabit-Infrastrukturverordnung verbindlich auszulegen und zu interpretieren, um eine einheitliche Anwendung in allen Mitgliedstaaten zu gewährleisten, sofern Zweifel an der Auslegung bestehen.