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  • Newsletter
    04/2025
  • Datum
    17.12.2025

Editorial

Dr. Klaus M. Steinmaurer
© APA-Fotoservice/Martin Hörmandinger

"Die Welt ist die Gesamtheit der Tatsachen, nicht der Dinge" (Ludwig Wittgenstein, Tractatus Logico-Philosophicus, London 1922, S. 25)

Sehr geehrte Leser:innen!

Wenn ich mein letztes Editorial in diesem Jahr mit dem zweiten Satz aus Wittgensteins Tractatus beginne, stellt sich die Frage, was das mit unserer Regulierungsaufgabe zu tun haben könnte. Mehr als wir glauben würden! Geht es doch einerseits darum, gemeinsam über eben diese Tatsachen, die unsere digitale Welt in diesem Jahr ausgemacht haben, nachzudenken und dabei auch zu überlegen, was das für das kommende Jahr bedeuten kann. Die digitale Welt ist eben nicht bloß als Summe isolierter Dinge wie Netze, Plattformen und Applikationen zu betrachten, um der Realität zu entsprechen. Vielmehr ist diese digitale Welt mit ihren Netzwerken, Technologien und Dienstleistungen und ihren Regulierungen in Beziehung zu setzen und daraus abzuleiten, wie sich das im Ergebnis dann in der realen Welt darstellt. Auch die Digitalregulierung ist nicht als eine Ansammlung unterschiedlicher Rechtsakte europäischer und nationaler Herkunft zu verstehen, sondern ist das faktische Ergebnis aus dem Zusammenwirken dieser Rechtsakte. Wenn heute oft das Argument der Überregulierung vorgebracht wird, dann ist das so weit richtig, als Regulierung vom jeweiligen Gesetzgeber oft nur unter bestimmten Gesichtspunkten gesehen wird, wo auf einzelne Aspekte wie Daten, Infrastruktur, KI oder Wettbewerb fokussiert wird, ohne die Regelungen dabei in ihrem oft komplexen Zusammenspiel zu betrachten. Natürlich hat jede Art der sektor- oder themenspezifischen Regulierung für sich ihren Sinn und ihre Berechtigung. Die Summe der einzelnen Regelungen kann dann aber in Kontext gestellt zu viel sein. Um Sinn zu ergeben und vor allem das übergeordnete ökonomische und gesellschaftspolitische Ziel zu erreichen, ist es daher wichtig, die bestehenden Regelungen stärker in Beziehung zu setzen und sich auf die daraus ergebenden Fakten in der realen Welt zu konzentrieren. Und wenn wir an den dabei festgestellten Tatsachen Defizite gegenüber dem Beabsichtigten erkennen, sind diese Defizite eben zu beseitigen.

Mit dem nunmehr vorliegenden Digital Omnibus Paket hat die Europäische Kommission den Versuch unternommen, einen Schritt in diese Richtung zu gehen. Zumindest in Hinblick auf Datenschutz und KI und Daten im Allgemeinen. Das bedeutet nicht, dass man über die einzelnen Details nicht noch diskutieren muss, aber Ziel und Richtung stimmen dem Grunde nach. Inwieweit der Ende Jänner zu erwartende Digital Network Act, der die Regelungen zur elektronischen Kommunikation neu aufstellen will, auch diesem Anspruch gerecht wird, bleibt abzuwarten. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass auch der aktuelle EECC und das TKG 2021 in Österreich zumindest ansatzweise Regulierung in einem holistischen Ansatz verstehen. § 1 TKG 2021 legt klar als Zielbestimmung der Regulierung fest, dass dadurch Wettbewerb, Innovationen, Investitionen im Sinne der allgemeinen Wohlfahrt gefördert werden sollen. Also Regulierung der Kommunikationsmärkte ganz im Sinne des erwähnten Zitates nicht als starre Aneinanderreihung von Rechtsvorschriften zu verstehen ist, sondern als Wirkungsfolge ihrer Umsetzung, der ein klares Ziel vorangestellt ist. Das verlangt immer eine sehr präzise Sicht auf die Märkte und ist daher nicht immer einfach. Wettbewerb ist ein entscheidender Motor für Innovationen und Produkte im Interesse der Konsument:innen. Wettbewerb ist aber getrieben von Einzelinteressen mit dem Ziel, seine jeweilige Marktposition relativ zu den Wettbewerbern zu verbessern. Mit der Aufgabe, Wettbewerb als Treiber von Investitionen und Innovationen sicherzustellen, hat Regulierung auch auf die Wettbewerbsfähigkeit des Marktes zu achten. Genau dieser Frage müssen wir uns heute mehr denn je stellen, denn in einem stark wettbewerbsgetriebenen Markt mit hohen Investitionskosten, wie es eben der Telekommunikationsmarkt ist, wird es immer schwerer, die Wirkungen der Wettbewerbsintensität auf den Wettbewerb nachhaltig richtig einzuschätzen. Ich würde sagen, die Spielräume der einzelnen Marktteilnehmer sind mittlerweile enger geworden und wenn wir die Angebotsvielfalt sowohl im Bereich der Kommunikationsinfrastruktur als auch im Bereich der Kommunikationsdienstleistungen für alle Konsument:innen erhalten und ausbauen wollen, bedarf es einer vorausschauenden Regulierung mit dem Blick auf das Ganze. Diesem Anspruch gerecht zu werden, ist ohne Einschränkung unser Ziel. Die mit der Zielerreichung zusammenhängende Komplexität ist dabei aber immer höher. Wettbewerb und Wettbewerbsfähigkeit sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Isoliert betrachtet können sie zu ungewollten Ergebnissen führen. Auch Datenschutz, KI und Datenökonomie dürfen heute im Sinne eines prosperierenden Wettbewerbes und globaler Wettbewerbsfähigkeit nicht als Gegensätze betrachtet werden. Und alle diese Bereiche bilden die Voraussetzungen für die digitale Welt, die wir uns in Zukunft schaffen. Sie miteinander richtig in Beziehung zu setzen ist die wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe, vor der wir heute als Regulierung stehen. Und wie dieses "in Beziehung setzen" aktuell so aussieht, mit dem befasst sich dieser Newsletter wieder einmal. Welchen Beitrag leistet der Gigabit Infrastructure Act um bessere Netze günstiger und schneller zu bauen? Warum sind Versorgungsauflagen im Mobilfunk praktisch von Bedeutung und müssen daher überprüft werden? Warum wollen wir Kupfernetze durch Glasfaser ersetzen? Kann Satelliteninfrastruktur eine Gefahr für andere Infrastrukturen darstellen und ist das demokratiepolitisch nicht bedenklich? Alles wichtige Fragen, wo es Antworten dazu braucht, von uns als Regulierer, von den Marktteilnehmern und von der Politik. 

Alles zusammen macht deutlich, wie wichtig es in unserer heutigen Welt ist, Dinge und Regelungen miteinander in Beziehung zu setzen und an den Ergebnissen zu erkennen, wie die Welt analog wie digital wirklich ist.

An dieser Stelle auch noch ein herzlicher Dank an Herrn Vizekanzler Andreas Babler der uns am 15.12.2025 als zuständiger Telekom- und Postminister die Ehre gegeben hat und mit der Branche und uns über zentrale Fragestellungen unserer Sektoren diskutieren konnte. In Beziehung gesetzt, ist jeder Breitbandanschluss sowie eine funktionierende Postinfrastruktur ein wichtiger demokratiepolitischer Beitrag und sichert unsere Souveränität nachhaltig. 

In diesem Sinne ein schönes Weihnachtsfest und bleiben wir auch im Jahr 2026 im Dialog!

Ihr Klaus M. Steinmaurer

Weihnachtsgrüße der RTR
© RTR


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