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Regulatorisches

TKG 2021: per aspera ad astra … *)

Ende Dezember 2020 hat das Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus (BMLRT) einen Entwurf für ein Telekommunikations­gesetz 2020 zur Begutachtung veröffentlicht. Mit dem genannten Gesetz soll insbesondere die RL (EU) 2018/1972 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (auch unter der englischen Abkürzung „EECC“ bekannt) umgesetzt werden. Im Zuge dieser Umsetzung hat sich das BMLRT augenscheinlich entschlossen, das derzeit geltende TKG 2003 nicht erneut zu novellieren, sondern gänzlich neu zu fassen. 

Hauptgesichtspunkte des Entwurfes sind gemäß Vorblatt zu den Erläuternden Bemerkungen (EB)

  • Optimierung des Frequenzvergabeverfahrens;
  • Schaffung von Anreizen zur Investition in Telekommunikationsinfrastruktur;
  • Neuregelung des Universaldienstes;
  • Zivilschutz und Notrufe;
  • Verbesserung des Konsumentenschutzes im Bereich der Telekommunikation.

Hinzu kommen freilich die Hauptziele des EECC,

  • „Connectivity“ (fest und mobil);
  • Angleichung des Regimes von OTTs (over-the-top-players) an Telcos;
  • Vollharmonisierung des (Telekom-)Verbraucherschutzes in Europa;
  • all dies mit starken Harmonisierungstendenzen.

Die Begutachtungsfrist endete am 10.2.2021. Der Website des Parlaments ist zu entnehmen, dass über 100 Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren abgegeben wurden.1

Im Folgenden werden jene Aspekte des Entwurfes für ein TKG 2020 (2021) hervorgehoben, die aus Sicht der RTR für das Regulierungsgeschehen von besonderer Bedeutung sind und in der gemeinsamen Stellungnahme von Telekom-Control-Kommission und RTR zum Gesetzesentwurf dementsprechend hervorgehoben wurden.2 Angesichts des Rahmens dieses Newsletters, muss sich der Beitrag auf Wesentliches beschränken.

Vorab sei festgehalten, dass den Regulierungsbehörden RTR (Fachbereich Telekommunikation und Post) und TKK der Gesetzentwurf TKG 2020/21 grundsätzlich geeignet erscheint, die angestrebten Ziele zu erreichen. Dies gilt im Wesentlichen auch für die Verhältnismäßigkeit der zur Zielerreichung im Entwurf vorgeschlagenen Maßnahmen und die der vollziehenden Regulierungsbehörde in die Hand gegebenen Mittel für eine effiziente und effektive Rechtsdurchsetzung.

Dennoch schlagen die Regulierungsbehörden vor, den Gesetzesentwurf in folgenden Bereichen nachzuschärfen oder aber auch grundlegender zu überprüfen.

Netzausbau und Infrastrukturnutzung

Der 7. Abschnitt des Entwurfes für ein TKG 2020/21 behandelt „Netzausbau und Infrastrukturnutzung“. Das ist ein für den Breitbandausbau wichtiger Abschnitt, der die Inanspruchnahme von fremdem Eigentum (Grund/Boden/Sachen) ermöglicht. Dabei war zuletzt vor allem die TKG-Novelle BGBl I 2018/78 stark vom Gedanken einer Unterstützung des Ausbaus von 5G-Netzen geprägt.3

Die im Begutachtungsverfahren geäußerte Kritik der TK-Branche, das TKG 2020/21 würde hinter die Errungenschaften der TKG-Novelle 2018 zurückfallen, ist aus mehreren Gründen nachvollziehbar und berechtigt: erstens gelingt es dem Entwurf TKG 2020/21 nicht, die seit der TKG-Novelle 2018 offen gebliebenen Fragen betreffend die Nutzung von Privat-Eigentum, das seinerseits im Eigentum einer Gebietskörperschaft steht, zu beantworten; zweitens bleibt die Errichtung von Antennentragemasten vom erzwingbaren Leitungsrecht weiterhin ausgeschlossen; drittens ist ein interessantes Haftungsregime vorgesehen, das die Haftung des durch ein Leitungsrecht Belasteten für Beschädigungen der Kommunikationslinie im Fall grob fahrlässiger Schadenszufügung – deutlich abweichend vom allgemeinen Schadenersatzrecht – insgesamt mit der Höhe der erhaltenen Abgeltung begrenzt.

Die RTR ist der Auffassung, dass das Konnektivitätsziel (fest und mobil) durch verbesserte Möglichkeiten bei Netzausbau und Infrastrukturnutzung breiter unterstützt werden sollte. Immerhin bietet sich die Gelegenheit, in diesem Bereich ein fortschrittlicheres Regime zu schaffen, das sich von jenen anderer Mitgliedstaaten unterscheidet und Österreich somit aus Sicht ausländischer Investoren für Investitionen attraktiver erscheinen lässt als andere Regionen.

Zuteilungsverfahren von knappen Frequenzen

Das Unionsrecht gibt für die individuelle Zuteilung von Frequenznutzungsrechten als Grundlage (nur) vor, dass das Vergabeverfahren offen, objektiv, transparent, nichtdiskriminierend und verhältnismäßig sein muss. Die konkrete Ausgestaltung des Vergabeverfahrens bleibt den Mitgliedstaaten überlassen. Der Entwurf TKG 2020/21 überträgt diesen verfahrensrechtlichen Grundsatz in nationales Recht.

Darüber hinaus gilt: Sofern knappe Mobilfunkfrequenzen zur Vergabe gelangen, ist grundsätzlich eine als „wettbewerbsorientiertes Auswahlverfahren“ bezeichnete Versteigerung der Nutzungsrechte durchzuführen. Für deren Grundsätze und Durchführungsmaßnahmen folgt der Entwurf TKG 2020/21 im Prinzip dem derzeitigen Regime des § 55 TKG 2003.

Ins Gewicht fällt aber die Neuerung im Gesetzesentwurf, wonach vor der Vergabe von Nutzungsrechten für knappe Frequenzen die Regulierungsbehörde offenbar zu prüfen hat, ob den Aspekten der Förderung des Wettbewerbs, der Verbesserung der Versorgung, der Gewährleistung der erforderlichen Dienstqualität, der Förderung der effizienten Nutzung von Funkfrequenzen oder der Förderung von Innovation und Geschäftsentwicklung (ausnahmsweise) besser durch ein „vergleichendes Auswahlverfahren“ als durch ein „wettbewerbsorientiertes Auswahlverfahren“ Rechnung getragen werden kann. Ist dies der Fall, ist das Zuteilungsverfahren als sogenannter „beauty contest“ an Stelle einer Versteigerung durchzuführen. Die Entscheidung, welches der beiden Auswahlverfahren zur Anwendung gelangt, ist durch Verordnung der Telekom-Control-Kommission festzulegen.

Die RTR hält das Bekenntnis des TKG-Entwurfes, wonach im Rahmen von Frequenzvergaben ein wettbewerbsorientiertes Auswahlverfahren („Auktion“) das Regelverfahren darstellen soll, für einen starken Motor für einen zukunftsgerichteten Breitbandausbau.

Der „Dienstebegriff“ wird erweitert

Bisher war die Begriffsdefinition des elektronischen Kommunikationsdienstes (neben dessen Entgeltlichkeit) dadurch charakterisiert, dass die (technische) Signalübertragung im Vordergrund steht. Folglich waren klassische Dienste wie Sprachtelefonie oder SMS vom Dienstebegriff des TKG umfasst, ähnliche oder aus Endnutzersicht substitutive Dienstleistungen sind jedoch außen vor geblieben sind (zB WhatsApp oder E-Mail-Dienste). Das dadurch bewirkte juristische Ungleichgewicht zwischen Anbietern von TK-Diensten einerseits und OTT andererseits führte in Folge zu einer Schieflage der wettbewerblichen Rahmenbedingungen zu Lasten von Telcos: Während Anbieter von elektronischen Kommunikationsdiensten zB Allgemeine Geschäftsbedingungen der Regulierungsbehörde zur Prüfung vorlegen müssen oder einem besonderen Datenschutzregime unterliegen (12. Abschnitt TKG 2003), gilt dies nicht für OTT.

Der Entwurf für das TKG 2020/21 versucht nun, diese rechtlich unterschiedliche Behandlung abzufedern: Auch sogenannte „interpersonelle Kommunikationsdienste sind vom Begriff des Kommunikationsdienstes umfasst. Dies bedeutet, dass in Hinkunft auch für E-Mail-Dienste, Mitteilungs-Dienste oder Gruppenchats die einschlägigen Bestimmungen des TKG 2020/21 gelten werden.

So sehr dieser Schritt zu begrüßen ist, bleibt für die RTR die herausfordernde Frage, wie sie jener Diensteanbieter juristisch habhaft werden wird, die über keinen Sitz oder keine Niederlassung in Österreich oder der EU verfügen – gerade OTT-Dienste können über das Internet unkompliziert de facto weltweit erbracht werden und die wirklich großen Player sitzen in der Regel eben nicht in der EU.

Nach Einschätzung der RTR sollte das Ziel, „möglichst gleiche Ausgangbedingungen für die Marktteilnehmer“ zu schaffen („level-playing-field“), differenzierter verfolgt werden, zumal OTT-Dienste und deren Anbieter andere Charakteristika und Geschäftsmodelle aufweisen als die bisher vom TKG 2003 umfassten Betreiber.

Netzsicherheit

Im 6. Abschnitt des Entwurfes TKG 2020/21 wird ua „Netzsicherheit“ abgehandelt. Neu ist, dass über Produkte oder Dienstleistungen von sogenannten „Hochrisikolieferanten“ Beschränkungen verhängt werden können. Darüber hinaus richtet § 44b (sic!) des Entwurfes TKG 2020/21 einen „Fachbeirat für Sicherheit in elektronischen Kommunikationsnetzen“ ein. Damit wird telekommunikationsrechtliches Neuland betreten.

Die Bundesministerin für Landwirtschaft, Tourismus und Regionen wird (als Behörde) ermächtigt, Hersteller von Netz-Komponenten oder Bereitsteller von Dienstleistungen für elektronische Kommunikationsnetze aus Gründen der nationalen Sicherheit als „Hochrisikolieferanten“ einzustufen. Als Hochrisikolieferant gilt jemand, von dem davon auszugehen ist, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit die für ihn in der EU geltenden einschlägigen Normen, insbesondere im Bereich der Informationssicherheit und des Datenschutzes, nicht oder nicht ständig einzuhalten in der Lage ist.

Damit soll den Anforderungen der Empfehlung „Cybersicherheit der 5G-Netze“ sowie der daraus abgeleiteten „5G Toolbox“ 4 Genüge getan werden. Die Einstufung als Hochrisikolieferant wird mittels Bescheid ausgesprochen und kann dazu führen, dass ein Hersteller von der Lieferung sicherheitsrelevanter Netzbestandteile ausgeschlossen wird.

Vor jeder Entscheidung in dieser Angelegenheit hat die BMLRT den Fachbeirat für Sicherheit in elektronischen Kommunikationsnetzen zu befassen. Dieser ist mit der Erstellung eines Gutachtens zu betrauen. Das Gutachten des Fachbeirates ist im Rahmen des Ermittlungsverfahrens durch die BMLRT zu würdigen.

Neben der Erstellung eines Gutachtens in Verfahren zur Einstufung eines Herstellers von Netzkomponenten (Hardware und Software) als ist der Fachbeirat mit der Beratung der BMLRT zu allgemeinen Aspekten der Sicherheit für Netze der elektronischen Kommunikation beauftragt.

Der Fachbeirat besteht aus dem Vorsitzenden und zehn Mitgliedern. Dabei hat die Bundesregierung auf Vorschläge von verschiedenen Bundesministern, der Wirtschaftskammer Österreich, des nationalen Computer-Notfallteams CERT und der Austrian Institute of Technology GmbH (AIT) Bedacht zu nehmen. Den Vorsitz im Fachbeirat führt der Geschäftsführer oder die Geschäftsführerin der RTR-GmbH, Fachbereich Telekommunikation und Post. Die Geschäftsordnung des Fachbeirates wird durch Verordnung der BMLRT im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler erlassen.

Aus Sicht der RTR ist es sehr begrüßenswert, dass der Gesetzesentwurf der stetig steigenden Bedeutung von Netzsicherheit entsprechend Rechnung trägt.

Behörden und Beiräte: Zuständigkeiten und Organisationsvorschriften

Angesichts des Gesetzesentwurfes für das TKG 2020/21 gilt im Wesentlichen, dass die das TKG vollziehenden Behörden im Vergleich zur bisherigen Rechtslage nicht nur bestehen bleiben, sondern auch deren Zuständigkeiten kaum Änderungen erfahren. Somit bleibt auch die „Aufgabenteilung“ zwischen BMLRT, der ihr unterstehenden Fernmeldebehörde, der Telekom-Control-Kommission, der RTR (Fachbereich Telekommunikation und Post) sowie der KommAustria im Prinzip unverändert. Dies gilt auch für die Vertretung in internationalen oder supranationalen Gremien.

Nicht zu unterschätzende Änderungen sind in der Zusammensetzung der TKK vorgesehen. Zwar besteht sie (wie bisher) aus drei Mitgliedern, die in der Ausübung ihres Amtes an keine Weisungen gebunden sind. Allerdings entfällt – in Abkehr von § 118 Abs 1 TKG 2003 – das Erfordernis, dass ein Mitglied dem Richterstand anzugehören hat. 

Dies wirft Fragen über die Reichweite der Unabhängigkeit der Telekom-Control-Kommission auf, zumal das richterliche Mitglied als besonderer Garant für die Unabhängigkeit der TKK gesehen wird. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass hauptberufliche Richter von einer Tätigkeit in der TKK ökonomisch nicht abhängig sind.

Die nächsten Schritte

Derzeit evaluiert das BMLRT die im Begutachtungsverfahren eingelangten Stellungnahmen. Sobald die politische Koordinierung zwischen den Regierungsparteien abgeschlossen ist, wird ein Beschluss der Bundesregierung („Ministerrat“) über eine Regierungsvorlage für ein TKG 2021 erwartet. Das Plenum des Nationalrates wird die Regierungsvorlage sodann dem entsprechenden Ausschuss zuweisen. Sobald der Ausschussbericht – nach in der Regel intensiven Beratungen – an das Plenum des Nationalrates übermittelt wird, kann der Nationalrat das TKG 2021 beschließen. Es folgen die Weiterleitung des Gesetzesbeschlusses des Nationalrates an den Bundesrat und die Beschlussfassung im Bundesrat.

Soweit vernehmbar, streben alle beteiligten Akteure an, die Beschlussfassung des Nationalrates über das TKG 2021 noch vor dem Sommer 2021 zu erwirken.

Soweit die RTR zu formellen oder informellen Gesprächen bzw Beratungen über das TKG 2021 (weiterhin) hinzugezogen wird, wird sie – den grundlegenden Regulierungszielen des Art 3 EECC verpflichtet – bereit sein, um für die Bevölkerung und Wirtschaft in Österreich einen Beitrag zu leisten.


*„Durch Raues zu den Sternen“.
1 www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/ME/ME_00082/index.shtml#tab-Stellungnahmen
2  www.rtr.at/TKP/aktuelles/veroeffentlichungen/veroeffentlichungen/Stellungnahme_RTR-TKK_zum_TKG.de.html         
Zu den folgenden Überlegungen siehe Feiel, Entwurf des TKG 2020 in Begutachtung, MR 7-8/2020, 343 ff.
NIS-Kooperationsgruppe, Cybersecurity of 5G networks - EU Toolbox of risk mitigating measures (CG Publication 01/2020); NIS-Kooperationsgruppe, Report on Member States’ Progress in Implementing the EU Toolbox on 5G Cybersecurity (CG Publication 02/2020), beide abrufbar unter ec.europa.eu/digital-single-market/en/nis-cooperation-group.