(von Xenia-Valerie Hafez)
Das Thema Artificial Intelligence (AI) bzw. Künstliche Intelligenz (KI) spannt einen sehr breiten Bogen. Einerseits geht es rein technisch um Systeme, die vielfältig eingesetzt werden können – ob in der Datenanalyse oder in der Robotik. Diese Systeme benötigen Daten: manchmal sehr viele Daten, aber neuere Techniken versuchen, auch mit weniger Daten voranzukommen. AI-Systeme benötigen auch Rechenleistung, welche mittels Chips oder Cloud-Diensten bereitgestellt wird. AI-Systeme versuchen, Prozesse entlang bestimmter Parameter zu optimieren und somit die Effizienz dieser Prozesse zu steigern.
Die für AI-Systeme notwendigen Techniken beruhen auf Prinzipien aus einer Vielzahl an Disziplinen. Dazu gehört z.B. Mathematik und Statistik, aber auch Computerwissenschaften, Kognitive Wissenschaften, Psychologie, Philosophie, oder Linguistik. Weit vielfältiger noch sind die Einsatzgebiete für AI-Systeme – und genau mit diesem Aspekt hat sich BEREC in einem Bericht zu den Herausforderungen und Vorteilen von AI-Anwendungen im Telekomsektor beschäftigt.
Um sich in einem ersten Bericht zu AI den Anwendungen im Telekomsektor zu nähern, hat sich BEREC einerseits mit fünf Einsatzgebieten von AI-Systemen auseinandergesetzt.
Einer dieser Bereiche betrifft Netzwerk- und Kapazitätsplanung bzw. -Upgrades. In diesem Bereich werden AI-Systeme z.B. dazu eingesetzt, geeignete Standorte oder Ausbaurouten zu identifizieren, das Upgrade von Netzwerkkabeln zu optimieren, oder auch Vorhersagen zu den Verkehrs- und Kapazitätsanforderungen zu treffen. Dadurch können auch die Kosten des Breitbandausbaus gesenkt werden.
Bei der Modellierung von Kanälen werden AI-Systeme häufig dazu eingesetzt, die Ausbreitung von Frequenzen zu simulieren. Oft werden diese Systeme von den Anbietern von Netzwerkhardware angeboten.
AI-Systeme können auch dazu eingesetzt werden, Frequenzen gemeinsam mit anderen dynamisch zu nutzen (Dynamic Spectrum Sharing). In diesem Bereich werden AI-Systeme u.a. für Spectrum Sensing, die Klassifikation von Signalen, oder zur Ermöglichung eines dynamischen Frequenzzugangs genutzt.
Im Zusammenhang mit der Dienstequalität und der Verkehrsklassifikation können AI-Systeme dazu eingesetzt werden, die Verkehrslast in den Netzen optimal zu verteilen (im Einklang mit der Open Internet Verordnung). Außerdem spielen AI-Systeme eine wichtige Rolle beim Network Slicing in 5G-Netzwerken.
Auch zur Erkennung von Cybersicherheitsbedrohungen in Telekommunikationsnetzen werden AI-Systeme eingesetzt, nämlich sogenannte Intrusion Detection and Prevention Systems. Oft werden sie dazu verwendet, den Netzwerkverkehr auf Anomalien hin zu beobachten und Muster zu erkennen, um Cyberangriffe zu melden und in manchen Fällen auch präventive Maßnahmen zu aktivieren.
Ähnliche Systeme gibt es aber auch, um Betrug mithilfe von Telekommunikationsdiensten zu erkennen. Dazu werden oft Verkehrsdaten analysiert, um auffällige Muster aufzuspüren.
BEREC hat sich außerdem mit der Nutzung von AI-Systemen durch (Regulierungs-) Behörden auseinandergesetzt. Mögliche Anwendungen sind z.B. die automatisierte Übersetzung von Inhalten, die Klassifikation von Beschwerden, die Modellierung von Frequenzkanälen oder die Unterstützung der internen Prozesse. Derzeit gibt es nur wenige europäische Regulierungsbehörden, die AI-Systeme einsetzen.
Auf europäischer Ebene bereiten sich derzeit das Parlament, der Rat und die Kommission darauf vor, den Entwurf des AI Acts (auf Deutsch: Gesetz über künstliche Intelligenz) im Trilog zu verhandeln. Der AI Act betrachtet AI-Systeme als Produkt und enthält Bestimmungen, die den Markteintritt von AI-Systemen in bestimmten Bereichen an Bedingungen knüpfen bzw. in einigen wenigen Fällen verbieten.
Der Großteil der Bestimmungen im AI Act beschäftigt sich demnach mit AI-Systemen, die ein hohes bzw. begrenztes Risiko aufweisen. Zu den Anwendungen mit hohem Risiko sollen z.B. AI-Systeme zählen, die von Personalabteilungen eingesetzt werden, oder auch AI-Systeme, die für die Koordination von Rettungsdiensten eingesetzt werden. Für diese Anwendungen gelten besondere Vorkehrungen für die Entwicklung (z.B. in Hinblick auf die Datenqualität), und Akteure an unterschiedlichen Stellen der Lieferkette müssen bestimmte Maßnahmen ergreifen, z.B. um bei Fehlfunktionen schnell eingreifen zu können. Unterstützt wird die Umsetzung des AI Acts einerseits durch Standards, aber auch z.B. durch sogenannte Sandboxes, bei denen Anwendungen mit hohem Risiko in der Testphase durch Behörden begleitet werden.
Abseits des AI Acts gibt es jedoch auch andere Initiativen, die sich mit AI auseinandersetzen. Der Digital Markets Act enthält z.B. Bestimmungen zu Sprachassistenten, während der Digital Services Act Bestimmungen für jene Empfehlungsalgorithmen enthält, die von Very Large Online Platforms (VLOPs) eingesetzt werden. Im Herbst letzten Jahres wurde ein Gesetzesvorschlag vorgelegt, mit dem Haftungsfragen rund um AI geklärt werden sollen, und hier finden sich starke Parallelen zum AI Act. Der Data Act und der Data Governance Act hingegen äußern sich zum Thema AI wenig, haben aber für Entwickler:innen und Anwender:innen in diesem Bereich große Bedeutung. In der Erklärung zu den Digitalen Rechten und Prinzipien gibt es u.a. einen eigenen Abschnitt zu AI, der sich um die Interaktion von Menschen und AI-Systemen dreht. Außerdem verhandeln die Mitglieder des Europarates über eine (unverbindliche) Konvention zu KI, Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, die weit über den europäischen Raum hinaus gelten wird.
Im Einklang mit den strategischen Zielen auf europäischer Ebene wurde 2021 die österreichische Strategie für AI entwickelt, auch bekannt unter dem Namen Artificial Intelligence Mission Austria 2030 (AIM AT 2030). In dieser vom BMK und BMDW entwickelten Strategie werden drei für Österreich besonders wichtige Ziele festgelegt, nämlich:
Ergänzend dazu werden im Annex zur AIM AT 2030-Strategie elf Anwendungsfelder präsentiert, die vor allem mit Blick auf den Klimawandel große Bedeutung haben. Dazu zählt z.B. die Digitalisierung von Energiesystemen, aber auch AI im Bereich der Weltraumanwendungen sowie AI im Zusammenhang mit Bildung oder Gesundheit.
Diese Vielfalt an Initiativen und Instrumenten verdeutlicht, dass AI ein sehr vielschichtiges Thema ist, bei dem sehr viele unterschiedliche Aspekte mitgedacht werden müssen. Durch diese Komplexität wird aber auch klar, dass AI nicht auf ein bestimmtes Fachgebiet reduziert werden kann. Ganz im Gegenteil: es ist wichtig, diese Entwicklungen immer auf ein bestimmtes Anwendungsgebiet herunterzubrechen und im Kontext zu betrachten.
Da sich im Bereich AI viele Dinge (und vor allem die Nutzungsmuster!) sehr schnell ändern können, ist es wichtig, dieses Thema im Auge zu behalten. Ergänzend zu diesem Beitrag gibt es einen Einblick in das Thema ‚Generative AI‘ am Beispiel der Anwendung ‚ChatGPT‘ in unserem Newsletter.