Newsletter RTR.Telekom.Post

  • Newsletter
    03/2022
  • Datum
    08.11.2022

BEREC Study Trip nach Washington und Boston – 12. bis 16. September

Ein Reisebericht von Klaus M. Steinmaurer

Nach mehr als zwei Jahren fand heuer wieder ein gemeinsamer Study Trip des BEREC Mini Boards statt. Eigentlich sollte es ja bereits zu Jahresbeginn in die USA gehen, doch da machte uns CORONA noch einen Strich durch die Rechnung. Aber in der zweiten Septemberwoche war es dann endlich so weit. Gemeinsam mit BEREC Chair 2022 Annemarie Sipkes, Incomming Chair Kostas Masselos, Emanuel Gabla aus Frankreich sowie Pål Wien Espen aus Norwegen und Michel van Bellinghen, der mit seinem Team die Reise organisiert hatte, konnte ich eine spannende, ziemlich anstrengende, aber vor allem wirklich gewinnbringende Woche in den USA verbringen. Gewinnbringend deswegen, weil gerade die Änderung des Blickwinkels und die Möglichkeit, sich mit der Denkweise der Menschen in den Unternehmen, die wir treffen konnten, zu beschäftigen, helfen, Entwicklungen in unserem Sektor besser zu verstehen.

Vielleicht noch vorab ein Eindruck von der Anreise, die ohne jede Schwierigkeit geklappt hat. Wenn man beim Landeanflug auf Washington aus dem Fenster blickt, könnte man meinen, es ist Brüssel, wo man jetzt hinkommt. Diese Bilder setzen sich auch bei der Taxifahrt zum Hotel fort. Alles ziemlich europäisch und vollkommen anders als man es von Städten wie New York oder Chicago kennt. Auf den ersten Blick also gar nicht so amerikanisch, aber das ändert sich schnell, spätestens beim Frühstück.

Tag 1

An unserem ersten Tag ging es gleich um 10 Uhr in das Truman Building, dem Department of State (DoS), wo wir mit Regierungsvertretern zusammentrafen. Hier kann ich für alle, die vielleicht auch einmal ein offizielles Treffen in den USA mit Regierungsstellen bzw. öffentlichen Institutionen haben, als Tipp mitgeben, immer eine eigene Flasche Wasser mit dabei zu haben. Es wird nichts angeboten. Aber das nur als Nebenbemerkung.

Zentrales Thema im DoS war Netzsicherheit und Open RAN sowie die bevorstehende Wahl des ITU General Secretary, bei der sich die USA beworben haben. Interessant dabei war, mit welcher Vehemenz uns gegenüber gleichzeitig einerseits die offenbar mit chinesischer Netztechnologie verbundenen Sicherheitsrisiken zum Ausdruck gebracht und andererseits die Vorteile von Open RAN dargelegt wurden. Kurz zusammengefasst lässt sich die Argumentation wie folgt beschreiben: Chinesische Unternehmen sind eng mit der Kommunistischen Partei Chinas „verbandelt“ und China ist eine Diktatur. Daher ist Technologie, die von dort kommt, per se unsicher. Open RAN baut auf Netzwerkvirtualisierung auf, das bedeutet, die Netzintelligenz ist in der Cloud, die Cloud ist grundsätzlich amerikanisch; Amerika ist eine Demokratie und daher ist die damit in Verbindung gebrachte Technologie sicher. Weitere Diskussion über technische Standards und dergleichen ausgeschlossen. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, dass wir im Laufe der an diesem Tag noch folgenden Gespräche mit öffentlichen Einrichtungen bzw. diesen nahestehenden Einrichtungen nahezu wortidente Argumentation erfahren haben. Aber ich möchte gar nicht allzu viel vorwegnehmen und darf über unseren nächsten Termin des ersten Tages berichten.

Dazu ging es zur Federal Communications Commission quasi RTR/KommAustria/TKK/BEREC/DG Connect in einem als für Kommunikation zuständige Behörde in den USA. Wir trafen dabei zuerst Commissioner Geoffrey Starks, der mit uns ebenfalls zu den Sicherheitsthemen, Open RAN und neu dazu auch über Breitbandausbau und Förderungen diskutierte. Im Anschluss daran konnten wir in einem gemeinsamen Termin mit der Vorsitzenden der FCC, Jessica Rosenworcel, den bestehenden Vertrag zur Zusammenarbeit zwischen BEREC und FCC erneuern und grundsätzlich Fragen zu Breitband, Sattelitenkommunikation und Verbraucherthemen besprechen. Enorm ist in diesem Zusammenhang das seitens der US-Regierung insgesamt bereitgestellte Fördervolumen von rund 500 Milliarden Dollar bis 2026. Besonders interessant dabei das sogenannte Affordable Connectivity Program (ACP)  mit rund 14 Milliarden Dollar, das von der FCC verwaltet wird. Dieses Programm dient dazu, einkommensschwachen Haushalten den Zugang zu Breitband zu ermöglichen, indem beispielsweise bestehende Tarife der Anbieter wie ATT oder Verizon und anderer mit monatlich je 30 Dollar gestützt werden. Im Grunde ist das indirekt eine Subventionierung der Betreiber, weil diesen Kunden erschlossen werden, die sonst nicht in der Lage wären, einen Anschluss zu bekommen. Dabei ist zu beachten, dass in den USA pro Monat durchschnittlich 70 Dollar für einen breitbandigen Anschluss (> 30 mbit/s) zu bezahlen sind. Wie uns gesagt wurde, hat dieses Programm regen Zuspruch und wird wahrscheinlich ausgebaut werden. Auch sonst fällt bei den Förderprogrammen in den USA auf, dass diese weniger bürokratisch als bei uns in Europa bzw. auch national ausgestaltet sind. Vor allem die von der FCC landesweit ausgerollten Programme lassen bei der Festlegung der konkret zu erreichenden Ziele den regionalen Fördergebern wie Gemeinden oder Städte größtmögliche Freiheit zu entscheiden, wie die Mittel eingesetzt werden. Wie effektiv das Ganze dann wirklich ist, konnten wir natürlich vor Ort nicht verifizieren, da, wie zu erwarten, alles, was die Amerikaner machen, immer "great" ist! Aber ich denke schon, dass wir uns in Europa den einen oder anderen Ansatz im Förderwesen abschauen können.

Federal Trade Commission/United States of America
© RTR/privat

Von der FCC ging es weiter zur FTC (Federal Trade Commission), die im Wesentlichen für Wettbewerbsfragen zuständig ist. Dort konnten wir gemeinsam mit der Chair Woman Lina M. Kahn über den Wettbewerb im TK-Bereich in den USA im Vergleich zu Europa sprechen. Hervorzuheben ist, dass Frau Kahn einen umfassenden und sehr klaren Blick zur Wettbewerbssituation auf beiden Seiten des Atlantiks hatte und unerwartet offen und kritisch auch die Situation im TK-Sektor in den USA beurteilte, der eigentlich aus nur drei überregionalen Netzanbietern besteht und darin auch ein Grund für die überaus hohen Konsumentenpreise zu liegen scheint. 

Nach einer kurzen Pause ging es dann zu einem Abendempfang in die Niederländische Residenz, wo wir vom Botschafter der Niederlande empfangen wurden und gemeinsam mit den Vertretern von drei Think Tanks  bei einem Abendessen die Entwicklung der Telekommunikation und der Digitalisierung insgesamt eingehend diskutieren konnten. Nicht unerwartet nahmen die Themen Open RAN und Sicherheit ganz allgemein wieder einen großen Raum ein. Und ebenfalls wenig überraschend brachten die Vertreter:innen der Think Tanks fast die gleichen Argumente vor, wie wir sie schon im DoS und bei der FCC gehört hatten. Ein Schelm, wer da einen höheren Plan dahinter vermuten könnte.

Bei mir jedenfalls regte sich nach diesem ersten Tag bzw. Abend erstmals eine kritischere Sicht zu diesem Thema. Irgendwie wurde ich nach diesen Diskussionen den Verdacht nicht los, dass das Thema Open RAN in den USA nicht nur das Thema Sicherheit als Hintergrund haben konnte. Und dieser Verdacht sollte sich am kommenden Tag auch erhärten.

Tag 2

Tag zwei startete gleich um 9 Uhr früh mit einem Gespräch mit der "Information Technology and Innovation Foundation", wo wir uns über die bereits am Vortag angesprochenen Förderprogramme für Breitband informierten und generell die Breitbandstrategie der USA diskutierten. Anders als in Europa ist weniger von der Fokussierung auf Glasfaser als vielmehr von größerer Technologiefreiheit bei der Festlegung zur Erreichung von Förderzielen auszugehen. "Gigabit-Netze", wie es bei uns in Europa so gerne betont wird, spielen in den USA, zumindest in der Kommunikation zum Breitbandausbau, keine, maximal eine untergeordnete Rolle. Wichtiger ist ihnen vielmehr die einfach machbare und dringend notwendige Kapazität unbürokratisch und rasch auszurollen. Aus meiner Sicht zumindest ein Ansatz, den man diskutieren sollte, ohne langfristige, nachhaltige Ausbauziele nicht aus den Augen zu verlieren.

Von dieser ersten Station ging es gleich weiter zu einen etwas ausgedehnteren Meeting mit Microsoft (inklusive softlunch), bei dem wir mehr Informationen zu der zukünftigen Strategie des Unternehmens insbesondere im Bereich Cloud erhielten. Die Azur-Cloud ist nach dem hier gewonnenen Eindruck das Kernstück der zukünftigen Unternehmensentwicklung mit dem Ziel, dort zentral die gesamte Steuerung und Netzintelligenz zu bündeln und zu verwalten. Womit wir wieder beim Thema Open RAN wären, aber hier zum ersten Mal zugegebenermaßen auch als Geschäftsmodell vorgestellt. Wichtigstes Take Away: Es geht also nicht nur um Sicherheit, wenn man Netze in Zukunft virtualisieren will, sondern um die Hoheit über die zukünftige technische Entwicklung von Netzwerktechnologie. Ein Business, das heute noch fest in europäischer bzw. chinesischer Hand ist. Wir hörten in dieser Woche aber noch unterschiedliche Einschätzungen, wie schnell das gehen soll. Wenn es nach Microsoft geht, hat es jedenfalls schon begonnen.

META
© RTR/privat

Nach unserem wirklich interessanten Besuch bei Microsoft ist das nächste Zukunftsunternehmen an der Reihe. META nimmt sich Zeit, mit uns zu diskutieren. Und hier liegt der Schwerpunkt auf dem zweiten wichtigen Thema dieser Reise. Wie soll mit den Diskussionen zur Forderung nach einem "Fair Share", was so viel bedeutet, dass sich Contentbetreiber am Netzausbau in Europa beteiligen sollen, umgegangen werden. Die Argumente gegen die von großen europäischen Betreibern präferierte Lösung klingen durchaus plausibel, aber um es klar zu stellen, das sollte nicht abhalten, auch über alternative Lösungen, sei es im Rahmen einer Steuerlösung oder als neue Form eines Universaldienstes nachzudenken. Dazu gibt es noch einiges zu diskutieren und der Austausch mit META hat da für uns sicher einen wertvollen Input geliefert.

Mit vielen neuen Gedanken und Ideen versorgt, durfte der spätere Nachmittag des zweiten Tages dann der obligatorischen Sightseeing-Tour durch Washington dienen, bei der wir die wichtigsten Sehenswürdigkeiten teils zu Fuß, teils mit dem Bus im Schnelldurchlauf besuchen konnten. Wie schon am Anfang erwähnt sehr europäisch, wenn es um die Baustile geht. Gerade das Regierungsviertel und rund um das Kapitol, wo wir auch den Obersten Gerichtshof von außen besichtigen konnten, ist irgendwie so etwas wie Minimundus in groß. Sehr groß auf jeden Fall. Mit einem gemütlichen Dinner in einem netten amerikanisch/italienischem Lokal etwas abseits von den Hauptstraßen haben wir den Tag dann beschlossen. 

Tag 3

Washington
© RTR/privat

Auch unser dritter, letzter Tag in Washington startete wieder früh am Morgen. Gleich nach dem Frühstück ging es zu einem Meeting mit Mavenir, einem Newcomer im Bereich Open RAN, der bei uns in Europa schon erste Tests mit einem großen europäischen Operator durchführt. Auch in Österreich werden wir bald von diesem Unternehmen zu hören bekommen. Das Konzept klingt technisch überzeugend, allerdings bin ich mir noch nicht ganz sicher, ob es schon reif ist für die Komplexität großer öffentlicher Netze. Wenn es aber um Campus Lösungen geht, glaube ich schon, dass Lösungen wie die von Mavenir durchaus Zukunft haben werden und das durchaus rasch. Man sollte dieses Unternehmen jedenfalls im Auge behalten.

Unsere nächste Station führte uns in die Unternehmenszentrale von Verizon. Auch hier ging es um die Ansichten dieses Konzerns zu Breitbandausbau, den Unterschied zwischen Europa und den USA und vieles mehr. Mit vielen guten Argumenten, die auch dazu anregten, die eigene Sicht an der einen oder anderen Stelle kritisch zu hinterfragen, war unsere nächste Station Google, nicht ohne vorher noch kurz einen Sprung in das alte Hauptpostamt mit seinen gigantischen Ausmaßen gemacht zu haben.

Google
© RTR/privat

Nicht unerwartet wurden wir auch bei Google, wie schon am Vortag bei META, mit dem Fair-Share-Problem konfrontiert. Aber auch Fragen, wie sich das Unternehmen in Zukunft sieht und wie das Thema Datenschutz im Vergleich Europa und USA für das Unternehmen aussieht, konnten besprochen werden. Interessant ist dazu vielleicht, dass durch die notwendige Berücksichtigung der europäischen DSGVO diese direkte Rückwirkung auf das US-Business hat, weil es sich am Ende auch für ein Unternehmen wie Google auszahlt, die europäischen Standards in der einen oder anderen Form gleich zu skalieren.

Bei einem anschließenden Besuch in der Ständigen Vertretung der EU konnten wir dann noch einmal unsere Eindrücke mit dem Handelsdelegierten, der im Übrigen ein Österreicher ist, abgleichen. Gerade wo es die Argumente rund um Open RAN betraf, fand ich hier eine Bestätigung zu den oben geäußerten Annahmen meinerseits.

Unsere letzte Station in Washington war ein Arbeitsabendessen bei AT&T, bei dem wir mit den Verantwortlichen alle Fragen rund um Open RAN, Security und Förderungen bzw. Breitbandausbau noch einmal in einer angenehmen, schlichten und Fakten basierten Art besprechen und rekapitulieren konnten. Dieses Treffen war somit der perfekte Abschluss, um alle Eindrücke, die wir in diesen drei Tagen gewinnen konnten, noch einmal richtig einzuordnen und für unsere Arbeit zu aufzubereiten. Es war klar, dass wir hier mit dem technischen Management einer "good old telecom company" ein Gespräch führten, das in ähnlicher Form in Bonn, Paris oder Madrid hätte stattfinden können. Auch das Thema Open RAN und bis wann und für welche Zwecke es relevant werden könnte, wurde hier doch etwas relativiert und die dahinterstehenden Ziele transparent angesprochen.

Massachusetts
© RTR/privat

Damit waren unsere Tage in Washington vorbei, am nächsten Tag ging es dann gleich um 6 Uhr früh weiter nach Boston, dem „Silicon Valley des Ostens“, wo wir uns zuerst mit dem Massachusetts Broadband Institute trafen und dort auch mit der für den Ausbau zuständigen Ministerin deren Erfahrungen beim Roll Out austauschen konnten. Den frühen Abend verbrachten wir dann in der Innenstadt in einem Hotel, wo sich beim sogenannten "Venture Cafe" junge Entrepreneure gemeinsam mit potentiellen Investoren trafen und in sehr entspannter Form Projekte vorstellten und Kapitalbeteiligungen dafür anbahnten. Ein wirklich interessantes Konzept, das für mich ein gutes Beispiel dafür ist, warum "start up" in den USA einfacher funktionieren kann als in Europa. Wir sind einfach zu kompliziert und zu risikoavers um genauso entspannt an das Thema heranzugehen wie es beispielsweise Amerikaner tun. Dort gibt es einfach eine Spielermentalität, die hier in Europa fehlt. Oder anders gesagt, das private Kapital ist in den USA weniger überheblich und mehr hemdsärmelig als in Europa. Wenn es hingegen um staatliche Förderung geht, sind wir in Europa keinesfalls schlechter möglicherweise im Vergleich zu den USA etwas unterkapitalisiert. Denn eines ist mir in all unseren Gesprächen auf dieser Reise klar geworden: Klotzen nicht kleckern ist die Devise und Geld ist da, wenn es gebraucht wird. Ob die Maßnahmen immer effizient sind bleibt dahin gestellt der Raum für Möglichkeiten ist jedenfalls größer als hier in Europa.

Tag 4

Das Programm des letzten Tages bestand dann noch aus einem Treffen mit den konsularischen Vertretern der im Mini Board vertretenen Nationen, die sich für den Austausch im digitalen Bereich zwischen den USA und den von ihnen repräsentierten Ländern einsetzen und zuletzt noch einer Präsentation beim stellvertretenden Bürgermeister von Boston, wo wir mehr über die Breitbandstrategie von Boston erfahren konnten.

Heimreise
© RTR/privat

Vollgepackt mit Tonnen von Eindrücken und neuen Argumenten zu vielen konkreten aber auch indirekt damit zusammenhängenden Fragen im Bereich Digitalisierung und Netzausbau, die uns auch hier in Europa und bei uns in Österreich beschäftigen, ging es dann am Freitag nachmittags zum Flughafen in Boston, wo meine Maschine Richtung Zürich um 17 Uhr Ortszeit abhob.

Und am Flughafen Wien gab es am Ende auch das einzige Problem auf dieser Reise, da mein Koffer partout nicht am Band erscheinen wollte. Dank meines Apple Air Tags konnte ich aber nachweisen, dass er offenbar im Laderaum des Fliegers, der mich von Zürich nach Wien gebracht hat verblieben ist. Mit diesem kleinen Helferlein konnte ich das auch bei der Gepäckreklamation nachweisen. Das hat mich aber mehr als eine Stunde Überzeugungsarbeit gekostet.




Gerne halten wir Sie am Laufenden!

Ich stimme der Verarbeitung meiner hier angegebenen E-Mail-Adresse laut den Bestimmungen zum Datenschutz ausdrücklich zu. Diese Zustimmung kann ich jederzeit widerrufen.