Mit laufenden Maßnahmen stellen RTR und TKK ein offenes Internet in Österreich sicher. Die Details dazu verrät jetzt der mittlerweile zweite, jährliche Netzneutralitätsbericht.
35 Mal musste sich die Regulierungsbehörde im Berichtszeitraum mit mutmaßlichen Verletzungen der Netzneutralität beschäftigen. Die Quellen dafür waren die angezeigten AGB und Entgeltbestimmungen von Betreibern, technische Messungen, Endnutzerbeschwerden und die aktive Marktüberwachung der Regulierungsbehörde. Gut die Hälfte der Fälle konnte schon vor einem rechtlichen Verfahren durch Information und Gespräche aus der Welt geschafft werden. Das betraf etwa Portsperren, technische Diskriminierung oder Trennungen von IP-Verbindungen. „Bei der Vollziehung der Netzneutralität hat sich der Kurs der smarten Regulierung bewährt“, zeigt sich Telekom-Regulator Johannes Gungl bestärkt. „Wir informieren die Diensteanbieter laufend und erzielen schon freiwillige Lösungen, bevor überhaupt ein offizielles Verfahren durch die TKK notwendig wird.“ Zwar mündeten sechs weitere Fälle über Portsperren in einem solchen, die betroffenen Diensteanbieter stellten sie aber freiwillig ab. Somit konnte das Verfahren eingestellt werden.
Eine freiwillige Lösung kann aber nicht immer gefunden werden. Im Dezember 2017 erließ die Telekom-Control-Kommission (TKK) zwei Bescheide, um bei einem Betreiber vier Praktiken zu untersagen, die mutmaßlich gegen die Netzneutralitätsverordnung verstoßen. Diese waren die Priorisierung eines „Video on Demand“-Dienstes mangels Vorliegens eines „Spezialdienstes“, die nur kostenpflichtige Zuweisung von „public IPv4“-Adressen an Endnutzer, die tägliche Trennung von IP-Verbindungen und die Anwendung von unzulässigem Verkehrsmanagement (Traffic Shaping). Beide Bescheide wurden beim Bundesverwaltungsgericht angefochten und sind anhängig. Die Anträge des Betreibers auf aufschiebende Wirkung wurden abgewiesen.
Bei der TKK anhängig sind derzeit noch acht Fälle. Sie betreffen einmal die Umleitung von Verkehr und sieben Mal das Urheberrecht. Bei Letzterem befasst sich die TKK mit der Sperre einer Reihe von Webseiten aufgrund urheberrechtlicher Ansprüche. Im Grunde geht es hier um mögliche Piraterie-Seiten. Auf der einen Seite stehen die Urheber der Dateien, meist Filme oder ähnliches. Auf der anderen Seite stehen die Internet-Provider, die von den Urhebern aufgefordert werden, die Seiten zu sperren. Wenn die Internet-Provider ohne richterliche Anordnung sperren, verstoßen sie aber möglicherweise gegen die Netzneutralitätsverordnung. „Die TKK steht jetzt vor der schwierigen Aufgabe, die Grundrechte aller Betroffenen abzuwägen: Das Recht der Urheber auf Schutz ihres geistigen Eigentums, das Recht der Internetzugangsdiensteanbieter auf unternehmerische Freiheit sowie das Recht der Internetnutzer auf Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit“, erklärt der RTR-Geschäftsführer Gungl.
„An dieser Stelle wollen wir auch mit einem verbreiteten Irrtum aufräumen“, sagt Gungl. „Zero Rating ist laut der Verordnung nicht grundsätzlich verboten“. Allerdings muss sich die Regulierungsbehörde im Nachhinein ansehen, ob sich diese Praktik im konkreten Fall nachhaltig negativ auf das offene Internet auswirkt. Erst wenn es die Märkte von Endkunden und/oder Diensteanbieter in gewissem Umfang negativ beeinflusst, kann das „Zero Rating“ eines konkreten Produkts verboten werden. „Die Regulierungsbehörde überwacht laufend die überschaubare Anzahl an Produkten mit ‚Zero Rating‘ und handelt sofort, wenn es die Verordnung zulässt“, erklärt Gungl.
Die Arbeit der unmittelbaren Zukunft wird wie schon zuvor im Weiterführen der Monitoring-Aktivitäten, der Fortsetzung der Abstimmung und des Austauschs zwischen den verschiedenen Regulierungsbehörden in der EU sowie den Marktteilnehmern im Rahmen von Verfahren und Gesprächen bestehen. „Das Ziel ist eine Umsetzung der Netzneutralitätsverordnung im Gleichklang in der ganzen EU“, sagt Gungl. „Dieses Ziel haben wir bei BEREC als strategische Priorität in das Arbeitsprogramm 2018 genommen.“ Johannes Gungl steht BEREC, dem Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation, heuer vor.
Die Vorarbeiten zur Überprüfung zentraler Bestimmungen der Netzneutralitätsverordnung seitens der Europäischen Kommission bis 30. April 2019 werden ebenfalls einen Arbeitsschwerpunkt des kommenden Berichtsjahres ausmachen. Zusätzlich wird die RTR auch die rapiden technologischen Entwicklungen im Digitalisierungsbereich bzw. im Hinblick auf den 5G-Standard intensiv begleiten.
Die Netzneutralitätsverordnung der EU (TSM-VO) sorgt für eine Gleichbehandlung der Übertragung von Daten im Internet; unabhängig von Sender, Empfänger oder gewählter Applikation. Für die Vollziehung der Verordnung sind die Regulierungsbehörden in den Mitgliedstaaten verantwortlich. In Österreich kümmert sich die TKK unter Mithilfe der RTR darum. Der jährliche Netzneutralitätsbericht beschreibt die Tätigkeiten. Heuer liegt der Berichtszeitraum zwischen 1. Mai 2017 und 30. April 2018. Die Verordnung und die Leitlinien von BEREC sollen für einen harmonisierten Vollzug sorgen sowie die Innovationskraft des Internets in der Europäischen Union sicherstellen.
Am 1. April 2001 wurde per Gesetz die „Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH“ (RTR) gegründet. Die RTR besteht aus den zwei Fachbereichen „Medien“ (GF Mag. Oliver Stribl) sowie „Telekommunikation und Post“ (GF Mag. Johannes Gungl). Als Geschäftsstelle unterstützt sie die Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria), die Telekom-Control-Kommission (TKK) und die Post-Control-Kommission (PCK).
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der RTR bereiten als Expertinnen und Experten in unterschiedlichen Wissensgebieten (Recht, Technik, Frequenzmanagement und Wirtschaft) die Entscheidungen der Regulierungsbehörden auf. Damit tragen sie dazu bei, Österreich an der Spitze der Informationsgesellschaft zu platzieren und Wettbewerb auf den Kommunikationsmärkten nachhaltig zu sichern. Gleichzeitig arbeiten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch für die von der RTR selbstständig verantworteten Bereiche. Dazu zählen die Verwaltung des Digitalisierungsfonds, des Fernsehfonds Austria, des Privatrundfunkfonds und des Nichtkommerziellen Rundfunkfonds; die Endkundenstreitschlichtung; die Verwaltung der Kommunikationsparameter (z.B. Nummerierung) sowie die „Zentrale Informationsstelle für Infrastrukturdaten“ (ZIS).