Titelbild Newsletter

Wettbewerbsregulierung setzt (weitgehend) auf Kontinuität

Das TKG 2021 sieht in seinem 8. Abschnitt Regelungen zur Wettbewerbsregulierung vor, die weitgehend dem bisherigen Rechtsrahmen entsprechen.

Ausgangspunkt für die sektorspezifische Regulierung ist weiterhin die Feststellung beträchtlicher Marktmacht – ein Unternehmen gilt als Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht, "wenn es entweder allein oder gemeinsam mit anderen eine der Beherrschung gleichkommende Stellung einnimmt, nämlich eine wirtschaftlich starke Stellung, die es ihm gestattet, sich in beträchtlichem Umfang unabhängig von Wettbewerbern, Kunden und letztlich Nutzern zu verhalten."

3-Kriterien-Test entscheidend für die (Regulierungs-) Relevanz eines Marktes

Im Rahmen des regelmäßig zu führenden Verfahrens zur Marktdefinition und Marktanalyse werden in einem ersten Schritt jene Kommunikationsmärkte identifiziert, die für eine sektorspezifische Regulierung relevant sind. Dabei kommen nur jene Märkte in Frage, die durch beträchtliche und anhaltende strukturell, rechtlich oder regulatorisch bedingte Marktzutrittsschranken gekennzeichnet sind, längerfristig nicht zu wirksamem Wettbewerb tendieren und auf denen die Anwendung des allgemeinen Wettbewerbsrechts allein nicht ausreicht, um dem betreffenden Marktversagen angemessen entgegenzuwirken ("3-Kriterien- Test").

In einem weiteren Schritt werden diese – relevanten – Märkte analysiert und ggf. Unternehmen identifiziert, die über beträchtliche Marktmacht verfügen.

An die Feststellung dieser starken wirtschaftlichen Position knüpft sich die Verpflichtung der Regulierungsbehörde – weiterhin ist die Telekom-Control-Kommission zuständig – diesem bzw. diesen Unternehmen spezifische Verpflichtungen aufzuerlegen. Dabei kommen etwa die bislang bekannten Verpflichtungen zur Transparenz, zur Gleichbehandlung, zur getrennten Buchführung, zum Netzzugang oder zur Entgeltkontrolle in Frage.

Neue spezifische Verpflichtungen

In Übereinstimmung mit dem EECC sind nunmehr weitere Verpflichtungen möglich:
So sieht § 94 eine Verpflichtung zum Zugang zu baulichen Anlagen, wie etwa Gebäuden, Antennen oder Leitungsrohren vor. Als Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgebotes ist dieser Verpflichtung der Vorzug gegenüber einer Verpflichtung zum "Zugang zu bestimmten Netzkomponenten und zugehörigen Einrichtungen und deren Nutzung" zu geben. 

Mit § 98 wird eine Möglichkeit geschaffen, dass Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht Selbstverpflichtungen anbieten können, die sich auf die für ihr Netz geltenden Bedingungen für Kooperationen, Ko-Investitionen oder den Zugang beziehen. Im Rahmen eines komplexen Verfahrens mit umfangreichen Prüfkriterien, samt Durchführung einer öffentlichen Konsultation über die angebotenen Verpflichtungen und der Beteiligung der Bundeswettbewerbsbehörde kann die Regulierungsbehörde zur Auffassung gelangen, dass die angebotenen Verpflichtungen es rechtfertigen, von weiteren spezifischen Verpflichtungen abzusehen.

Neues Regime für die Festlegung von Terminierungs­entgelten

Im Bereich der möglichen Verpflichtung zur Entgeltkontrolle werden neue Wege eingeschlagen: Die Entgelte für die betreiberindividuellen Zustellungen von Sprachrufen in feste oder mobile Netze (Terminierung) werden nunmehr unmittelbar festgelegt; die Verpflichtung zur Verrechnung bestimmter Höchstentgelte knüpft jetzt nicht mehr an die Feststellung beträchtlicher Marktmacht sowie die Auferlegung einer spezifischen Verpflichtung zur Entgeltkontrolle an: Die Delegierte Verordnung (EU) 2021/654 der Europäischen Kommission vom 18. Dezember 2020 legt unionsweit einheitliche maximale Mobilfunk- und Festnetzzustellungsentgelte verbindlich fest, die Anbieter von Anrufzustellungsdiensten auf der Vorleistungsebene für die Bereitstellung von Mobilfunk- und Festnetz-Terminierung in der gesamten Europäischen Union in Rechnung stellen dürfen.

Der Regulierungsbehörde kommt nunmehr explizit die Verpflichtung zu, die Märkte für elektronische Kommunikation zu beobachten und die Auswirkungen neuer Marktentwicklungen zu berücksichtigen. Sollten die Entwicklungen dabei nicht so bedeutend sein, dass ein neues Marktanalyseverfahren durchgeführt wird, hat die Regulierungsbehörde auferlegte spezifische Verpflichtungen zu prüfen und gegebenenfalls abzuändern. Auch ohne Durchführung einer umfassenden Marktanalyse können damit auferlegte spezifische Verpflichtungen angepasst werden. Eine effiziente und rasche Reaktion auf Marktentwicklungen ist damit sichergestellt. 

Das am 1.11.2021 in Kraft getretene TKG 2021 ist – mangels Übergangsbestimmung – auf die aktuell anhängigen Marktanalyseverfahren anzuwenden.


Zum Inhaltsverzeichnis