Falsch- bzw. Fehlinformationen sind weder neu noch ein Phänomen des digitalen Raums. Es gab und gibt sie seit jeher. Doch während uns die Zeitungsente schon lange begleitet hat, überschwemmen zunehmend Falschnachrichten die sozialen Netzwerke bzw. Online-Plattformen. Neu ist dabei die Geschwindigkeit, mit der sich Informationen verbreiten. Ebenso neu ist, dass vor allem junge Menschen immer weniger anerkannte Medien und Nachrichtenquellen konsumieren, deren Meldungen auf geprüften Informationen beruhen, die Mediengesetzen unterliegen und die sich freiwillig Ethikkodizes, wie zum Beispiel dem Presserat unterworfen haben. Neu ist auch, dass Desinformation als Bestandteil der (digitalen) Kriegsführung eingesetzt wird.
In Hinsicht auf das allgemeine Ziel, rechtswidrige Inhalte zu verhindern und der Meinungsfreiheit umfassend Rechnung zu wahren, sieht der DSA selbst kein Verbot von Desinformation per se vor, sofern es sich nicht um rechtswidrige Desinformation handelt. Sehr große Online-Plattformen und sehr große Online-Suchmaschinen (VLOPs und VLOSEs) sind jedoch verpflichtet, systemische Risiken für gesellschaftliche Debatten und Wahlprozesse sowie für die öffentliche Sicherheit zu prüfen und gegebenenfalls Gegenmaßnahmen zu ergreifen. (Art. 34 Abs. 1 c) DSA).
Typische Beispiele hierfür sind: gezielte und rechtswidrige Informationen im Rahmen der Pandemie, sogenannte Deep-Fakes (siehe unten) oder ausländische Einflussnahme über Fake-Accounts, die bewusst falsche Informationen verbreiten, um die Innenpolitik eines Landes zu beeinflussen. Solche Maßnahmen werden mitunter als „hybride Kriegsführung“ von Staaten durchgeführt und sollen Verwirrung und Unsicherheit im Zielland herbeiführen. Soziale Netzwerke sind in Wahlkampfzeiten besonders anfällig für solche Angriffe.
Es gibt auch außerhalb des DSA keinen einheitlichen Begriff bzw. einen Rechtsbegriff für Desinformation. Im Jahr 2020 wurde von der Europäischen Kommission der „Europäische Aktionsplan für Demokratie“ verabschiedet, der die Bedeutung der Demokratie in der Europäischen Union hervorhebt und betont, dass die Förderung freier und fairer Wahlen und einer starken demokratischen Teilhabe, die Unterstützung freier und unabhängiger Medien und die Bekämpfung von Desinformation die Grundpfeiler dieser demokratischen Teilhabe sind.
Im Aktionsplan werden Desinformation und verwandte Begriffe wie folgt definiert:
Fehlinformation | Fehlinformationen sind falsche oder irreführende Inhalte, die ohne vorsätzliche Schädigungsabsicht weitergegeben werden, deren Auswirkungen jedoch schädlich sein können, z. B. wenn Personen falsche Informationen gutgläubig an Freunde und Familienangehörige weitergeben. |
Desinformation | Desinformation ist die Verbreitung falscher oder irreführender Inhalte, die der Öffentlichkeit schaden können, in der Absicht, andere zu täuschen oder wirtschaftlich oder politisch daraus Kapital zu schlagen |
Einflussnahme auf Information | Koordinierte Bemühungen inländischer oder ausländischer Akteure, um mit einer Reihe von Täuschungsmitteln zu beeinflussen (z.B. Unterdrückung von unabhängigen Informationsquellen, Verbreitung von Desinformation) |
Einmischung aus dem Ausland | Einmischungen aus dem Ausland in den Informationsraum, die häufig im Rahmeneiner umfassenderen hybriden Operation erfolgen, sind als Zwangsmaßnahmen mit Täuschungsabsicht zu verstehen, mit denen die freie Bildung und die freue Äußerung des politischen Willens des Einzelnen durch einen ausländischen Staat oder dessen Vertretern gestört werden sollen. |
Ein wichtiges Abgrenzungskriterium zwischen Fehlinformation und Desinformation ist demnach die Absicht. Liegt keine Täuschungsabsicht vor, spricht man von Fehlinformation. Demnach wäre eine versehentliche Falschmeldung als Fehlinformation einzustufen. Auch überspitzte, satirische oder humorvolle Darstellungen sowie reißerische Überschriften (Clickbaiting) gelten noch nicht als Desinformation, solange sie nicht mit der Absicht der gezielten Täuschung verbreitet werden.
Desinformation ist eine falsche Information, die mit der Absicht verbreitet wird, Menschen in die Irre zu führen. Wer die "Nachricht" verbreitet, weiß, dass sie falsch ist, und will sein Publikum täuschen. Zu Desinformation, die auf gezielter Täuschungsabsicht basieren, zählen zum Beispiel Deepfakes. Deepfakes sind durch künstliche Intelligenz manipulierte Foto-, Video- oder/und Audiodateien. Sie können zur Manipulation der Identitäten echter Menschen führen. Während im Rahmen satirischer Beiträge nichts gegen witzige Entstellungen bekannter Persönlichkeiten spricht, können Deepfakes, die als solche durch die Verfeinerung von KI-Anwendungen jedenfalls für durchschnittliche Nutzer:innen nicht als solche erkennbar sind, zu einer weitreichenden Manipulation der öffentlichen Meinungsbildung führen. Bisher gibt es noch keine KI-Anwendung für Nutzer:innen, die 100 % aller Deepfakes entlarvt.
Mehr Informationen zu den verschiedenen Facetten von Deepfakes finden Sie hier:
Es gibt ein paar Grundregeln, um sich vor Desinformation zu schützen:
Österreichischer Koordinator für digitale Dienste ist die unabhängige Medienbehörde KommAustria.
Desinformation, sofern sie nicht rechtswidrig ist, fällt wie oben erwähnt nicht unter den DSA. Die DSCs und die Europäische Kommission als die ausschließlich für die Aufsicht über die VLOPs und VLOSEs zuständigen Organe müssen sicherstellen, dass die Plattformen im Rahmen ihres Betriebs die Meinungsfreiheit gewährleisten, die sich nicht auf rechtswidrige Inhalte erstreckt. Weder die DSC noch die EU-Kommission (oder andere staatliche Stellen) haben also die Möglichkeit, Inhalte ohne individuell anwendbare Rechtsgrundlage löschen zu lassen.
Der DSC hat hingegen sicherzustellen, dass digitale Dienste, die seiner Rechtshoheit unterliegen, ein Meldesystem und bei Online-Plattformen ein Beschwerdesystem bereitstellen, bei dem sich Nutzer:innen über vermeintliche Desinformation beschweren können. Wenn Desinformation auf VLOPs/VLOSEs jedoch systematisch auftritt, ohne dass Gegenmaßnahmen getroffen werden, kann die Europäische Kommission Maßnahmen ergreifen und tut dies bereits jetzt. Meldungen können auch an einen nicht zuständigen DSC gerichtet werden, der sie im Rahmen der für den DSA vorgesehenen Aufsichtsstruktur entweder an den zuständigen DSC oder an die Europäische Kommission weiterleitet.
Weiters ist die gewichtige Rolle der Zivilgesellschaft (Faktenchecker, Trusted Flagger, unabhängige Forschung, Meldemöglichkeiten für Nutzer:innen) im DSA ein wichtiger Faktor zur Bekämpfung von Desinformation. Die Europäische Union hat eine Reihe von Rechtsakten erlassen, die für die Bekämpfung von Desinformation relevant sind. Hierzu zählt der Artificial Intelligence Act – AI Act sowie die Verordnung über politische Werbung, die strenge Kennzeichnungsvorschriften vorsieht. Von besonderer Bedeutung ist der Verhaltenskodex zur Bekämpfung von Desinformation, zu dem sich manche Plattformanbieter zunächst freiwillig verpflichtet haben und der über den DSA nunmehr stärkere Verbindlichkeit erhalten soll. Über die europäische Dachorganisation der Medienregulierungsbehörden ERGA nimmt die KommAustria am Monitoring der Verpflichtungen der VLOPs und VLOSEs in Österreich teil.
Es ist zu betonen, dass die Bekämpfung von Desinformation nur langfristig und durch Kombination von Maßnahmen erfolgen kann: Das sind vor allem Maßnahmen zur Stärkung der Digitalkompetenz, die Stärkung, Förderung und Sichtbarmachung unabhängiger Medien sowie die Auffindbarkeit verlässlicher Nachrichtenquellen.